Samstag, 8. Dezember 2012

Die Frau und das Lächeln

Hättest Du eine Tochter und morgen hätte sie ihr erstes Vorstellungsgespräch, was wäre dein allerwichtigster Ratschlag an sie?


«Nicht lächeln!!!»


Klingt gemein? Beliebig? Macht keinen Sinn? Macht viel Sinn! Ist ein sehr guter Tipp für alle Berufseinsteigerinnen - und ganz viele, die schon länger dabei sind. 

Einem Mann muss man das natürlich nicht erklären. Warum? Männern würde es nie einfallen, sich von dämlichem (und oft total grundlosem) Grinsen irgendeinen Vorteil zu versprechen. Sie würden nicht davon ausgehen, dass sie damit dem Gegenüber den Wind aus den Segeln nehmen, Kritik vorbeugen oder sogar noch Pluspunkte sammeln. Also wieso denken so viele Frauen, mit Lächeln sei etwas gewonnen?

Frauen meinen, wenn sie lächeln, werden sie eher gemocht.


Amelia Warner
Falsch. Stellen wir uns die Situation mal konkret vor: Die junge Dame hat an alles gedacht; Sie hat die Firmenwebseite studiert, das Stelleninserat auswendig gelernt, die Haare schön frisiert, sich in ihren schicksten Anzug geworfen und meldet sich überpünktlich an der Rezeption. Klar, dass sich HR-Mensch und Linienverantwortliche/r über ein freundlich-fröhliches Lächeln zur Begrüssung freuen - immerhin sind wir alle ganz aufgeregt und neugierig. Damit signalisiert man Friede, Freude, Eierkuchen. Was soll man dann aber davon halten, wenn die junge Frau JEDE Antwort mit einem Lächeln unterstreicht?

Gibt's nicht? Dann haben sie wohl noch nie eine Lehrtochter eingestellt. Ausnahmen gibt's gewiss, aber gerade junge Frauen, die sich unter Erfolgsdruck wähnen, verfallen in die «Nette Mädchen Mimik». Das trifft leider nicht nur auf Berufseinsteigerinnen zu, sondern auch auf Wiedereinsteigerinnen oder solche, die nie gewagt haben, das Dauergrinsen zugunsten von Inhalt und Charakter abzuschalten.

Vor Frauen, die zuviel lächeln, verliert man schnell den Respekt

Ein unbewusster Mechanismus


Es hat Jahre gedauert, ehe mir bewusst wurde, dass ich auch zu den «Grinserinnen» gehörte. Die Erkenntnis kam rein zufällig während eines Rhetorik Kurses. Den hatte ich mir vom Büro finanzieren lassen, weil ich meine vorwiegend männlichen Kollegen in Projektsitzungen mit ihren nonchalanten, extrem selbstsicheren Präsentationen regelmässig an die Wand spielten.

Während des Abendkurses wurden die Teilnehmer/innen bei den Vortrags-Übungen gefilmt. Wie geschockt war ich, als ich mich das erste Mal auf Video sah! Nie hätte ich gedacht, dass meine Körpersprache «Hau mich nicht, ich bin ein Mädchen» signalisierte, wo ich mich doch selber für tough, smart und fadengerade hielt! :-O Wen ich da sah konnte ich selber nicht ernst nehmen!

Mit einem ernsten oder gar finsteren Gesicht ist viel mehr gewonnen.


Kristen Stewart
Nehmen wir uns ein Beispiel an Kristen Stewart: Sie gilt als eine der übellaunigsten, medien-scheuesten Promis die derzeit über rote Teppiche wandeln. Lächeln tut sie für Fans, ungern für Kameras. Wird sie deswegen weniger gemocht? Nö. Wird weniger über sie geschrieben? Nein. Gilt sie als Zicke? Mögen sie ihre Fans weniger? Nein.

Wenn wir uns dann vor Augen halten, dass wir mit unreifem, wenig beeindruckendem Auftreten nicht nur unsere persönliches Image schädigen sondern mit hoher Wahrscheinlichkeit auch unsere Chancen auf ein anständiges Gehalt schmälern, erhält die ganze Thematik noch eine dramatischere Tragweite.

Victoria Beckham

Selbst Victoria Beckham wirkt mit der bösen Fratze von heute viel wichtiger als mit einem (hier möglicherweise nicht mal aufgesetzten) Lächeln aus ihren Posh-Spice Zeiten, oder?

Fazit: Im Zweifelsfall würde ich eher als tendenziell launisch oder gar zickig gelten anstatt wegen mädchenhaften Benehmens bis zu 18% schlechter entlohnt zu werden als der männliche Kollege. Oder noch schlimmer - den Job deswegen erst gar nicht kriegen! Aber das ist nochmal eine andere Geschichte...


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