Sonntag, 18. April 2021

kununu - warum es gut fürs Karma ist, die Arbeitgeberin zu bewerten

Eigentlich sollte es heutzutage ein No-Brainer sein, dass man seinen Arbeitgeber bewertet. Spätestens, wenn man die Firma verlässt. In meinem Umfeld im Büro und privat habe ich einmal herumgefragt, wieso es viele trotzdem nicht tun, und stiess auf einige Vorurteile. Heute will ich damit aufräumen und erläutern, wieso eine kununu-Bewertung nicht nur wichtig, sondern der Anfang einer faireren Arbeitswelt ist.

Warum ist die Arbeitgeberbewertung so wichtig?

  1. Für Bewerberinnen und Bewerber, damit diese auch die Sicht und Meinung der Menschen haben, die dort arbeiten oder gearbeitet haben. Wenn eine Firma viele schlechte Bewertungen kriegt, dann hat das Gründe! Wenn eine Firma viele gute Bewertungen kriegt, dann zieht sie andererseits umso mehr Talente an. Es gibt Firmen, die verkaufen sich im Rekrutierungsprozess viel zu gut - etwa was die Familienfreundlichkeit angeht. Wenn dann aber alle jungen Mütter direkt nach der Babypause geschmissen werden und auch Väter nicht Teilzeit arbeiten können, sollte das die Öffentlichkeit einfach wissen.

  2. Um den Spiegel vorzuhalten. In den meisten (Schweizer) Firmen werden nach wie vor nur die Mitarbeitenden beurteilt, im so genannten "Jahresgespräch" oder im "Mbo". Diese Beurteilung hat natürlich immer Konsequenzen - auf das Gehalt, den Bonus, auf die Bezahlung von Weiterbildungen, auf Beförderungen usw. Umgekehrt findet eine Arbeitgeberbewertung durch die Belegschaft so gut wie nie statt. Wenn, dann unregelmässig als Mitarbeiterbefragung und so gut wie nie ändert sich dann was, selbst an Dingen, die wirklich als Problematisch herausstechen. Ich spreche aus Erfahrung.

  3. Um den Verwaltungsrat zu informieren. Der Systemfehler - weltweit - besteht darin, dass die Geschäftsleitung IMMER am längeren Hebel sitzt und faktisch niemand kontrolliert, ob sie ihren Job richtig macht. Theoretisch wäre einerseits der Verwaltungsrat dafür zuständig, andererseits hätten auch die Aktionäre ein gewisses Mitspracherecht. Gerade bei KMUs funktioniert dieses System hinten und vorne nicht (übrigens auch bei Grossfirmen, aber darauf gehe ich heute nicht ein). Es funktioniert deshalb nicht, weil oftmals die GL eines KMUs direkt auch den Verwaltungsrat stellt. Und dort, wo das ausnahmsweise nicht der Fall ist, fungieren Brudis der GL im VR. Und selbst wenn es keine direkten Brudis sind (sind es immer...) nehmen die Verwaltungsräte so gut wie nie Einfluss auf "operative Angelegenheiten". Sprich, sie nehmen überhaupt keine Aufsichts- oder Kontrollfunktion der GL vor. Ergo kann die GL machen, was sie will. Indem Arbeitnehmende Misstände also auf kununu posten, informieren sie wenigstens andere Leute (Kandidatinnen und Kandidaten, siehe 1) und der VR kann nicht mehr behaupten, er hätte von den Problemen nichts wissen können.

Wann sollte man den Arbeitgeber auf kununu bewerten?

  • Wenn man Vorstellungstermine hatte und eine Absage erhält oder selbst absagt. Es gibt unter "Bewertungen" einen Tab "Bewerber". Dort sollte man vor allem hinschreiben, wenn man ewig keine Antworten erhalten hat, wenn man zu zig Vorstellungsgesprächen eingeladen wurde und schliesslich die Absage aufgrund eines Kriteriums erhalten hat, das bereits beim 1. Gespräch hätte klar sein müssen (z.B. Gehaltsvorstellungen). Natürlich soll man auch positive Erfahrungen dokumentieren.

  • Nach der Probezeit oder nach 6 Monaten. In der so genannten "Honeymoon-Phase" wird man tendenziell eine gute Bewertung abgeben. Immerhin stimmt (hoffentlich) zu Anfang noch das Gehalt, die Arbeit entspricht (hoffentlich) dem, was man vereinbart hat und es zeigen sich (hoffentlich) noch keine all zu grossen Probleme in der Zusammenarbeit.

  • Nach dem Austritt. Spätestens jetzt ist der Zeitpunkt gekommen, einen möglichst objektiven Rückblick zu machen und die Zeit bei diesem Arbeitgeber zu bewerten. Dabei, finde ich, gehört der Kündigungsgrund unbedingt auch in die Bewertung. Ist man gegangen, weil man woanders eine bessere Stelle erhalten hat? Oder weil man es nicht mehr ausgehalten hat? Oder wurde einem gar gekündigt? Wie wurde mit der Kündigung und mir umgegangen? Gab es ein Austrittsgespräch? Wurde der Bonus anteilsmässig ausbezahlt? Ging alles fair und respektvoll vonstatten oder wollte man mich auf den letzten Metern noch verarschen? Das ist doch alles sehr aussagekräftig und wichtig für zukünftige Arbeitnehmer dieser Firma.

kununu Vorurteile und Mythen

  • Mythos: Der Arbeitgeber kann rausfinden, dass ich die Bewertung geschrieben habe.
    Wahrheit: Falsch. Kununu hätte den Laden längst dichtmachen können, wenn sie die Namen der Bewertungsschreiber/innen weitergeben würde. Natürlich sollte man keine Informationen nennen, von denen nur eine Handvoll Leute im Betrieb Kenntnis haben, und man kann etwas auf die Art und Weise achten, wie man schreibt.

  • Mythos: Nur unzufriedene (Ex-)Angestellte hinterlassen kununu-Bewertungen.
    Wahrheit: Falsch. Ich beobachte eigentlich öfter, dass Firmen, die schlechte Bewertungen kriegen, intern herumhypern und ihre Kaderleute dazu anhalten, mit (viel zu) positiven Bewertungen dagegenzuhalten. Besser wäre, man würde die ganze Belegschaft regelmässig bitten, Bewertungen abzugeben, ob positiv oder negativ.

  • Mythos: Wenn ich einmal eine Bewertung hinterlassen habe, kann ich sie nie mehr ändern oder löschen.
    Wahrheit: Falsch. Man kann eine Bewertung jederzeit anpassen oder gar zurückziehen. Nötig dafür ist eine E-Mail Adresse und das setzen eines Passwortes (man kann auch eine E-Mail Adresse mit Fake-Namen verwenden, Hauptsache, man behält den Zugriff auf die Inbox...). Wenn man also eine positive Bewertung geschrieben hat, dann kann man sie später auch revidieren, wenn sich die Umstände verändern. So wie es im echten Leben halt häufig der Fall ist.

  • Mythos: kununu will für negative Bewertungen immer einen Nachweis meiner Beschäftigung dort, z.B. den Arbeitsvertrag.
    Wahrheit: In manchen Fällen, wenn eine Firma z.B. viele schlechte Bewertungen erhält und anwaltlich gegen kununu vorgeht, muss kununu sich versichern, dass die Bewertungen echt sind. In diesen Fällen bittet sie die Bewertungsschreiber/innen um einen so genannten Beschäftigungsnachweis. Das kann aber auch das Arbeitszeugnis sein. Die Identität der Person wird aber auch in diesem Fall nicht publik gemacht, auch nicht, wenn es zum Gerichtsfall würde.
Es kann also sein, dass eine (schlechte) Bewertung nicht publiziert wird. Positive werden leider aber immer publiziert, wie ich gelesen habe, was eigentlich nicht minder problematisch ist. Das sollte einen aber nicht davon abhalten, eine (auch schlechte) Bewertung abzugeben.

Wie können und sollten Arbeitgeber eigentlich mit kununu Bewertungen umgehen?

Zunächst muss gesagt sein, dass Arbeitgeber weit mehr Ressourcen zur Verfügung stehen, ihr Image aufzupolieren, als uns Arbeitnehmern. Sie haben Personalabteilungen, Marketingabteilungen, Teams für die interne Kommunikation oder spannen gar externe PR-Agenturen ein. Diese kümmern sich sehr oft (auch gemeinsam) um das so genannte "Employer Branding" - die Imagepflege als Arbeitgeber.

Einigermassen "woke" Arbeitgeber nehmen schlechte kununu Bewertungen  wenigstens öffentich zur Kenntnis. Das kann man daran sehen, dass sie auf diese reagieren. Obwohl es an sich ein gutes Zeichen ist, wenn eine Firma auf kununu diese Funktion "Open Company" nutzt, und wenigstens eine Floskel "Danke, wir schauen das an" bei schlechten Bewertungen hinterlässt, heisst das leider noch lange nicht, dass sie gute Arbeitgeber sind. Es heisst einfach, dass sie pro Monat CHF 400.- bis 500.- ausgeben, um ihr Firmenprofil zu pflegen. Davon lebt kununu nämlich - von den Geldern der Arbeitgeber.

Reagiert eine Firma auf kununu auf schlechte Bewertungen (eben "Open Company" = proaktiver Umgang auf kununu) aber hagelt es trotzdem immer weiter schlechte Bewertungen, kann man getrost davon ausgehen, dass sie intern rein gar nichts an den Ursachen der schlechten Kommentare ändern.

kununu ist eine echte Chance - aber nur im Zusammenspiel mit einem professionellen HR und einer willigen Geschäftsleitung.

Schritt 1: Probleme zur Kenntnis / ernst nehmen

Daran scheitern schon sehr viele Firmen, vor allem, scheint es, KMUs in der Schweiz mit ergrauten, über 50jährigen CEOs und sehr männlichen Geschäftsleitungen. Oftmals hat die HR-Abteilung in diesen Firmen sehr wenig zu melden.

Haben wir es aber mit einer GL zu tun, die erkannt hat, dass eine glückliche Belegschaft zu besseren Ergebnissen, besseren Ideen und tieferen (Rekrutierungs-)Kosten (und somit weniger Know-How Verlust) führt, dann ist die Chance intakt, dass man schlechte Bewertungen als CHANCE sieht, ein Problem zu beheben, bevor sich eine Schneise der Verwüstung (= der Abgänge und des Imageschadens) auftut.

Schritt 2: Problem öffentlich zugeben

Hat man negative Kommentare auf kununu, löst man sich als Arbeitgeber ein Abo und stellt öffentlich, DIREKT unter der Bewertung, klar, dass man die Kritik gehört hat, ernst nimmt und intern weiter verfolgt. Guter Stil ist auch, dass man anbietet / dazu auffordert, die Sache in einem persönlichen Gespräch weiter zu erörtern. Bei ehemaligern Mitarbeitenden würde ich mir diesen Aufruf sparen, da hat die HR Abteilungen einfach ihren Job nicht gemacht, als noch Gelegenheit dafür gewesen wäre.

Schritt 3: Problem analysieren

Ich bin jetzt mal progressiv, denn ich sehe das einfach unvoreingenommen als Person, die nie im HR gearbeitet hat, aus Sicht einer Fachspezialistin und (ehemaliger) Führungskraft. In einer perfekten Welt würde das HR und/oder die GL jetzt hingehen, und in mit dem/der Leiter/in der Abteilung sprechen, die in der Bewertung negativ beurteilt wurde. Gibt die Person zu, dass sie einen Fehler gemacht hat, sucht man nach Wegen, es zukünftig besser zu machen. Kein Fingerpointing. Oftmals liegt es an der Führungsart, wenn Leute sauer werden und die Firma verlassen. Oftmals sind es auch strukturelle Probleme - etwa fehlende Prozesse. Und sehr oft sind es kulturelle Probleme, wie etwa einfach fehlende Wertschätzung. Kann man alles angehen! Muss man angehen, sonst hört die Kritikwelle nicht auf.

Gibt die Person es nicht zu oder will von nichts wissen, macht man eine anonymisierte (und wirklich anonymisierte!!) Umfrage in der Firma. Und nicht den Schwachsinn, dass man auf Teams runterbrechen kann - die GL soll eben nicht herausfinden können, wer welche Bewertung abgegeben hat, sonst ist die Umfrage für die Katz. Ich persönlich würde sogar so weit gehen, die Umfrage in Papierform zu machen, denn online Umfragen haben dank gepanschter "Anonymisierungen" das Vertrauen vollends verloren.

In diesen echt anonymisierten Umfragen, die am besten halbjährlich stattfinden sollten, erkennt man haargenau, wo der Hase im Pfeffer liegt.

Schritt 4: Problem beheben

Als - nochmal - Aussenstehende habe oftmals Mühe, nachzuvollziehen, warum man gewisse Probleme nicht einfach beseitigt. Nehmen wir einmal den Klassiker Gehaltserhöhung oder ungleiche Löhne für gleiche Arbeit: Wieso kann man das nicht standardisieren? Es gibt doch Modelle, gerade beim Staat, die mit Lohnbändern arbeiten? Oder wieso kann man die Gehälter nicht einfach öffentlich machen? Und wieso kann man nicht fix definieren, wann man eine Lohnerhöhung kriegt? Man macht doch ein MBO für den Bonus - wenn man Ziele X, Y und Z erreicht hat, gibt es den vollen Bonus. Sonst anteilsmässig. Was ist das Problem, das auch für eine Gehaltserhöhung zu machen? Es gibt ja nachweislich auch eine Teuerung und die Firma erwirtschaftet, DANK DER BELEGSCHAFT, nachweislich jedes Jahr ein Wachstum. Warum sollen die Leute davon nicht auch profitieren? Tja.

Bei anderen Problemen dünkt mich die Lösung noch einfacher. Etwa schlechte Chefs, schlechte Chefinnen - wieso entscheidet eigentlich die GL oder die nächsthöhere Person ganz allein über die Wahl einer neuen Teamleitung? Warum wird das bestehende Team nicht miteinbezogen? Ich hab es oft erlebt, dass ganze Teams gekündigt haben, weil eine Person als Chef/in eingesetzt wurde, die niemand ernst nehmen konnte. Rechnet sich das irgendwie? Ich bezweifle es.

Und dann finde ich halt schon, dass es nicht nur eine Mitarbeiterbeurteilung von oben nach unten sondern auch von unten nach oben geben sollte - Bonusrelevant. Natürlich mit Konsequenzen. Die Mitarbeitenden sollten auch Ziele setzen dürfen, wie in einem MBO, die der Chef/die Chefin zu erreichen haben. Klar macht das den Job für mittlere Kader nicht einfacher, aber voilà, fair wäre es alleweil. Und sonst kann man ja auch die Hierarchien verflachen. Ich muss sagen, ich hab auch oft erlebt, dass ein/e Abteilungsleiter/in völlig überflüssig war.

Schritt 5: Regelmässig zur Bewertung aufrufen

Eine Firma, die der Meinung ist, sie hätte ein gutes Betriebsklima und die Belegschaft sei zufrieden (siehe oben, kann man mit MA-Umfragen verifizieren) sollte unbedingt regelmässig dazu aufrufen, auf kununu eine Bewertung zu hinterlassen. Damit lässt sich sicher vermeiden, dass nur unzufriedene Ex-Angestellte oder Kader mit Interessenskonflikt bewerten.


Fazit

Wie man merkt - es hängt halt alles zusammen. kununu ist nur ein Abbild dessen, was in einer Firma falsch läuft. Will man sein kununu Profil verbessern, muss man die Probleme im Kern angehen.

kununu spiegelt einfach den Zustand einer Firma, ob gross oder klein, ob mit professionellem Employer Branding oder nicht. Natürlich kann man kununu auch ignorieren, dann kriegt man das eine oder andere Talent halt vielleicht nicht. Man kann auch ausrechnen, was es einen kostet, ein guter Arbeitgeber zu sein, und was es einen kostet, nicht die besten Leute zu kriegen oder eine hohe Fluktuation zu haben (siehe Mobilezone).

Als Arbeitnehmer/in lohnt es sich aber auf jeden Fall, eine Bewertung abzugeben. Und sei es nur eine Katharsis.