Dienstag, 11. Dezember 2012

Cool bleiben, weiblich bleiben: Wider den Perfektionismus

Perfektionismus ist ein Laster. Ein Killer. Ein Klotz am Bein. Perfektionismus verhindert, dass wir unser Potential ausschöpfen - und das unter dem Deckmäntelchen des augenscheinlich guten Willens.


Perfektionismus und die Schweiz - so profunde miteinander verwoben, dass es das eine kaum ohne das andere gibt. Eine Kombination die so tolle Dinge wie die perpetual datejust (Rolex), den CERN Teilchenbeschleuniger, die ETH Nanotechnologie, hochwirksamste Medikamente oder unser weltweit wohl einzigartig pünktliches und perfomantes ÖV-System hervorgebracht hat.

Klar, wollen wir Schweizerinnen und Schweizer selber auch perfekt sein. Wenn wir Ferien im Ausland machen, beschweren wir uns als erstes über mangelnde Sauberkeit. Wenn wir mit dem Auto hinfahren können wir uns nicht verkneifen, Witze über die Fahrweise der Locals zu machen. Kein Wunder haben hier alle Autos Beulen und rosten! Wer gar eine Weile im Ausland gewohnt hat, erlaubt sich eher früher als später Nettigkeiten über die Architektur, die Arbeitsmoral, die Sozialversicherungen etc.

Warum tun wir das? Weil wir uns dann selber besser fühlen!

Bloss stimmt das?

Ich persönlich fühle mich weit häufiger gestresst. Im Büro laufen die Männer mit Anzug, Hemd (oft kariert, bäh!) oder, les dames, mit chicen Kleidchen, Schals und Label-Handtäschchen rum. Das Haar proper frisiert, die Mutigen unter den Männern tragen Dreitagebart, aber nie findet sich ein Fleck. Wenn ich einen im Aufzug erwische, der Schuppen auf dem Revers hat, schreie ich schon fast "Halelujah!".

Am Schlimmsten sind ja dann Einladungen zum Abendessen. Fängt bei uns zuhause an:
Er: "Schatz, was bringen wir mit?"
Ich: "Flasche Wein?"
Er: "Langweilig, haben wir letztes Mal schon gebracht."
Ich: "Wieso fragst du mich das jetzt, foif vor zwölfi? Denkst du, ich geh jetzt noch einkaufen?"

Am Schluss steht man dann trotzdem mit der Verlegenheitsweinflasche aus dem Keller und einem Strauss von der Tankstelle vor der Tür. Für Cooleres haben nur Hausfrauen Musse. Die Gastgeber lassen sich natürlich nichts anmerken (sie lästern dann später...) und fangen gleich an, einen abzufüllen. Dabei müssen wir ja noch autofahren (wie ich diese Promillegrenze hasse). Der Tisch ist farblich passend zum Rest der Wohnung gedeckt - was sich in neun von zehn Fällen auf die Farbe der Servietten und ein paar Kerzchen beschränkt. Schweizer sind extrem unkreativ, man erwarte keine künstlerischen Würfe bei der Tischdeko.

Die Wohnung, davon kannst Du ausgehen, wurde vor unserem Erscheinen nochmal gestaubsaugt, aufgeräumt, das Bad mit einem Handtuch poliert und die Kissen auf den Sofas perfekt arrangiert. Nichts wird dem Zufall überlassen. Katastrophe, wenn dann das Chateaubriand bien cuit oder die Pasta verkocht ist! SCHANDE!

Nein. Ich, als Schweizerin unter Schweizern, vermisse hier echt die Coolness. Meine Parties waren jedenfalls immer der Brüller (ich schreib mal noch eine Anleitung zur perfekten Anti-Spiesser-Party, funktioniert auch für Leute über dreissig, garantiert).

Heute möchte ich einfach ein paar vor-weihnachtliche Anregungen geben für Leute, hier und anderswo, die sich vielleicht eher mal entspannen und die Zeit geniessen anstatt sich zum perfektionistischen Wrack und Burn-Out-Kandidaten zu machen.

Anti-Perfektionismus-Tipps im Alltag

  1. Putzfrau engagieren. Sie kostet (schwarz) ca. CHF 25.- pro Stunde. Wenn Du jährlich mehr als 48'000 verdienst, kostet es ergo mehr, wenn Du selber putzt. Abgesehen davon ist es eine Übung für sich, jemand Fremdes putzen und es dann gut sein zu lassen.
  2. Bügeln tun die auch.
  3. Haltbarkeitsdatum ignorieren. Boah, krass, eh? Geht.
  4. Sitzungen nicht vorbereiten. Uh, aber das merkt man doch! Ja? Sicher? Probier's mal aus. Die meisten Sitzungen kann man eh rauchen.
  5. Sitzungen nicht nachbearbeiten. Aaaaah! Aber wozu hatten wir sie dann!? Frag ich mich eben auch immer!
  6. Rechnungen nur einmal im Monat zahlen. Entspannt ungemein und man kriegt trotzdem noch keine Mahnungen. Glaubsch?
  7. Papiersammlung mit Einkaufstüten erledigen. Schnüren wird überbewertet.
  8. Dinnerparties: Mach ein Fondue - es gibt Chäs-Fondue, Fondue Chinois, Bourgignonne oder zur Abwechslung Schoggifondue. Auch zu empfehlen: Grillparties mit Papptellern und Bechern. Du wirst plötzlich auch viel lieber wieder zwölf statt zwei Gäste einladen!
  9. E-Mails nur einmal am Tag beantworten. Aaaaaah, aber was, wenn jemand dringend was von mir will? Dann ruft er an.
Echt, es gibt so viele Kleinigkeiten die einem plötzlich ein ganz anderes Lebensgefühl vermitteln. Plötzlich hat man dann Zeit für die wirklich Coolen Dinge. Dinge, die einem wirklich wichtig sind. Aber dazu ein andermal. ;)



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