Samstag, 22. Juni 2019

Der richtige Umgang mit Kreditkarten

Gerade junge Erwachsene müssen den Umgang mit ihren Finanzen früh und schnell lernen. Leider gibt es eine ganze Industrie, die es darauf abgesehen hat, dass wir unser Geld möglichst schnell und möglichst schmerzlos loswerden.

Durch kontaktlose mobile Payment Bezahlfunktionen wie Apple Pay, Samsung Pay und Google Pay wurde das Bezahlen zuletzt sehr viel komfortabler, dies jedoch nicht nur zu unserem Besten. Während wir früher zum Bankomaten (oder gar Schalter) gingen, um Bargeld von unserem Konto abzuheben, halten wir heute einfach das Plastikkärtchen oder Smartphone ans Zahlterminal. "Pling" und das Geld ist weg. Wie viel Geld wir so verpulvern ist uns darum häufig gar nicht mehr bewusst.

Das ist übrigens nicht nur ein Problem für Wenigverdiener, sondern auch für Multimillionäre. Neben der abhandengekommener Übersicht schmerzen vor allem die zum Teil sehr phantasievollen Gebühren, die Kreditkartenherausgeber (genannt Issuer) uns abknöpfen.

Es lohnt sich, genauer hinzuschauen, um die beste Kombination von grösster Ausgabenkontrolle und tiefsten Gebühren zu finden. Hier ein kleiner Leitfaden einer Branchen-Insiderin...


1.) Kenne den Unterschied: Debit, Kredit, Prepaid

Kurz erklärt:

  • Debitkarte ("EC" / "Maestro"): Für Bargeldbezug oder Bezahlen im Geschäft, wird direkt dem Konto belastet. Vorteil: Günstig, optimale Ausgabenkontrolle. Nachteil: Nicht für online Shopping einsetzbar.
  • Kreditkarte (z.B. Mastercard, Visa, American Express): Fürs Bezahlen im Geschäft und (vor allem) online. Wird einmal im Monat abgerechnet. Vorteil: Flexibel. Nachteil: Teuer, schlechte Ausgabenkontrolle.
  • Prepaidkarte (z.B. Mastercard Prepaid): Wie Kreditkarte. Muss immer erst mit Geld aufgeladen werden. Vorteil: Günstig, gute Ausgabenkontrolle. Nachteil: Aufwendiges Aufladen, Vermögen wird fragmentiert, Unübersichtlichkeit.
  • Neue Kombikarten: Vereinen die Vorteile von Debit, Kredit und Prepaid-Karten (z.B. Debit Mastercard). Vorteil: Flexibel, Günstig. Nachteil: Noch kaum verfügbar.


2.) Kenne die Gebühren



  • Jahresgebühr (Kreditkarten)
  • Transaktionsgebühr (besonders bei Bankomatbezügen im Ausland)
  • Fremdwährungsbearbeitungsgebühr und -Zuschlag
  • Schlechte Fremdwährungskurse
  • (Verzugs-)Zinsen (Kreditkarten)
  • Mahngebühren (Kreditkarten)
  • Gebühren für Papierrechnung (Kreditkarten)
  • Aufladegebühr = "Ladekommission" (nz.B. Travel Cash Prepaidkarte)
  • Andere kreative Gebühren (z.B. für Kartensperrung oder Telefonsupport)


Es ist schon klar, dass Issuer und Banken von irgendwas leben müssen, aber unter uns: Sie kassieren bei jeder Transaktion Geld vom Händler. Direkt. Sie können davon leben. Dass sie von uns Karteninhabern auch noch so viel verlangen, ist meiner Meinung nach einfach Gier.


3.) Setze für (online!) Auslandstransaktionen auf Revolut


Krasserweise werden nicht nur auf Zahlungen IM Ausland (also vor Ort) Gebühren erhoben, sondern neuerdings (seit ca. 2017) auch auf online Transaktionen in ausländischen eShops die in der Kartenwährung erfolgen. Kein Scherz. Zahlst du etwa bei Net-A-Porter den Betrag in CHF, verrechnet dir dein Issuer trotzdem eine Fremdwährungsgebühr! Völlig daneben. Denn Net-A-Porter wird schon einen unvorteilhaften Kurs angewandt haben - und dann zahlst du nochmal. Idiotisch.

Übrigens an der Stelle noch kurz zu PayPal: Sie nehmen ca. 3% Gebühren, was noch unvorteilhafter ist, als was die Issuer direkt nehmen. (Blogbeitrag von Bankenmärchen.de). Vermeiden sollte man beide Halsabschneider.

Problem:
Abrechnungen zu solchen Auslandszahlungen kommen bei Kreditkarten um Wochen verzögert und sind ziemlich intransparent. Kaum einer nimmt sich die Zeit, den jeweils effektiv angewandten Wechselkurse mit dem damals tagesaktuellen zu vergleichen oder die Zuschläge einmal zusammenzuzählen. Glaube mir: Du wärst konsterniert.

Lösung:
Benutze fürs online Shopping Revolut. Vom Modell her ist das zwar eine (mühsame) Prepaidkarte (sie nennen es "Konto"), die man aufladen muss, aber sie ist praktisch gratis. Revolut kennt keine Fremdwährungszuschläge und nimmt immer den besten Umrechnungskurs. Du kannst diese Karte via ESR-Zahlung (Banküberweisung) kostenlos aufladen, was in der Regel ca. 48h dauert. Da nur vorhandene Vermögenswerte ausgegeben werden können, entstehen auch niemals Zinsen.

4.) Ausgabenkontrolle: Vermeide Kauf auf Kredit, Begleiche  Schulden immer sofort

Ganz ehrlich? Es ist doch irgendwie nur dumm, mehr Geld auszugeben, als man hat, oder?

Auf alle Käufe auf Kredit werden horrende Gebühren erhoben. Laut Gesetz ist alles über 15% Zins Wucher und somit illegal. Aber was verrechnen Issuer an Zinssätzen? Häufig 14.93% meistens mindestens 12%. Verzinst wird dabei nicht nur der Restbetrag auf der Karte, nach Teilzahlung, sondern der höchste, den Du noch nicht abbezahlt hast (siehe Kassensturz Beitrag).

Um also nicht in Schulden und fortwährend hohe Zinsbelastungen reinzulaufen, gib nie mehr aus, als du hast, sprich, begleiche deine Schulden sofort. Ist es schon passiert, hör dringend damit auf, noch mehr auf Pump zu kaufen und setz alles daran, die Schulden abzubezahlen. Lass dir ggf. von der Schuldenberatung helfen, es ist keine Schande! :-) Auch hohe Schulden kann man abbezahlen, nur nicht aufgeben. Und ja nicht die Hoffnung verlieren, es ist nur Geld. ;-) Deine Gesundheit ist wichtiger.

5.) Verzichte auf Loyalty-Systeme und überflüssige Versicherungen / Vergünstigungen


UBS Key Club, Coop Superpunkte, Miles and More - diese Systeme sind nur dazu da, dich zu mehr Konsum zu verführen. Und es funktioniert, wie sich zeigt. Frage: Wann hast du mit solchen Punkten zuletzt eine Prämie eingelöst, die du wirklich gebraucht hast? Hast du die leiseste Ahnung, wie viel Geld diese Prämien wirklich wert sind?

Einzige Ausnahme finde ich, ist das Migros Cumulus Loyalty-System, denn dort erhält man bei null Grundgebühr und ohne versteckte Kosten (wie beim UBS Key Club) Cashbacks. Pro ausgegebenem Franken erhält man 1 Rappen zurück - zwar als Gutschein, den man nur im Migros-Konzern verwenden kann (aber der ist gross...). Ignoriert man die Marketing-Aktionen (5-fach, 10-fach etc.) fährt man allerdings besser.

Viele Kreditkarten locken auch mit Versicherungen (Reiseannulationskostenversicherung, Bestpreisgarantie etc.) oder Vergünstigungen (Airport Lounges, Mietwagenrabatte). Fakt ist: Das sind alles Zusätze, die wir in 99.9% der Fälle nie in Anspruch nehmen. Hence - why even bother? Finanziert werden diese Add-Ons übrigens durch die oben beschriebenen hohen Gebühren.

Wenn du so einen Zusatz wirklich benutzt, und sich die Mehrkosten dadurch rechnen, sieht es natürlich anders aus. Gerade bei Mietwagen kommt man häufig aber auch ohne Kreditkarte zum gleichen Rabatt.

6.) Kündige Kreditkarten-Aktualisierungsservices


Visa und Mastercard führen 2019 so genannte "ABU" Services ein - "Automatic Billing Update". Hast du z.B. ein Netflix-Abonnement, das über deine Kreditkarte bezahlt wird, und deine Kreditkarte wird erneuert, sendet deine Kreditkartenherausgeberin in Zusammearbeit mit Visa und Mastercard den Merchants (in diesem Fall Netflix) automatisch deine aktualisierten Kreditkartendaten, damit das Abonnement unterbruchsfrei weiterbelastet werden kann.

Rechtlich scheint es so, als wären die Issuer (in der Schweiz) nicht verpflichtet, ihre Karteninhaber über die ABU Services zu informieren. Darum sollte man ein E-Mail schreiben, anrufen oder ein Formular ausfüllen (z.B. bei UBS) und die ABU Services explizit ablehnen. Persönlich wundere ich mich, dass die Issuer dafür kein Opt-In Verfahren gewählt haben (also die explizite Zustimmung einholen, bevor sie die Daten ihrer Kunden automatisch ausliefern).

7.) Vermeide Abonnements

Holt es sich, ohne zu fragen... wie Abonnements.

Es liegt auf der Hand, dass man fortlaufende Kosten minimieren sollte, da man sie schwer wieder los wird. Brauchst du Netflix wirklich? Brauchst du den Cloud Speicherplatz wirklich? Und müssen diese Abos über die Kreditkarte laufen? Überprüf das periodisch.


8.) Analysiere deinen "Spending" Report


Der und die Schlauere wissen, wofür sie ihr Geld ausgeben. Viele (wenn nicht mittlerweile alle) Publikumsbanken der Schweiz bieten im online Banking mittlerweile einen so genannten "Spending Report" an. Dieser kategorisiert deine Ausgaben und zeigt dir, wofür du wie viel Geld ausgegeben hast. Bei Kartenzahlungen mit der zum Konto gehörenden Debitkarte ist es besonders präzise, denn jeder Händler fällt in eine eigene Kategorie ("MCC" - Merchant Category Code), welcher bei der Transaktion erfasst wird. Ob es nun ein Bekleidungsgeschäft oder eine Bar war, im Spending Report wirst du es später sehen können.

Ich finde, selbst Leute, die nicht sparen müssen, sollten sich ab und zu bewusst machen, wofür sie ihr Geld ausgeben, um allenfalls ihr Verhalten etwas zu modifizieren. Es gibt tausend bessere Arten, dieses Geld auszugeben.


Zusammenfassung


  • Bezahlkarten sollten eine maximale Ausgabenkontrolle und minimale Gebühren bieten.
  • Der Nutzen von Kreditkarten wiegt ihre Kosten heutzutage nicht mehr auf.
  • Mit Einführung der Kontaktlos-Funktionalität bei Debitkarten sind diese wieder ideal für den Alltagsgebrauch.
  • Mit Einführung der Debit Mastercard wird neben contactless dann auch online Shopping und mobiles Bezahlen (z.B. Apple Pay) mit der Ausgabenkontrolle einer Debitkarte möglich. Die Gebühren sollten derweil günstiger sein, als bei einer Kreditkarte, da es niemals Kredit benötigt, die Aktiven sind ja bereits auf dem zugehörigen Konto.
  • Die Debit Mastercard wird für alle Leute erhältlich sein, die ein Bankkonto eröffnen können. (Kreditkarten setzen hingegen ein Einkommen voraus!)
Übrigens - das Thema Sicherheit habe ich bewusst nicht erwähnt. Ich arbeite in der Branche und weiss, dass alle in der Schweiz erhältlichen Kartenprodukte gleich sicher sind. Auf jeden Fall sicherer als Bargeld. Oder Aktien. Oder Griechische Staatsanleihen. Ha.


Empfehlung


  • Im Inland Schweiz zahle bar oder mit der Debitkarte ("EC"/"Maestro"). 
  • Sobald die Debit Mastercard kommt, nimm die und kündige sämtliche Kreditkarten.
  • Für Auslandsreisen zwischen vier Tagen und drei Wochen nimm ein paar Hundert Franken in der Fremdwährung mit (welche Du zuhause am Bankschalter beziehst). Für den Rest benutze Revolut, um Fremdwährungsspesen zu umgehen (vor den Ferien aufladen).
  • Gerade in gefährliche, arme Länder (Brasilien, Südafrika etc.) wirst du nicht viel Bargeld mitnehmen wollen (und vielleicht auch lieber das ältere iPhone statt das gerade erst gekaufte...).
  • Eine günstige Karte wie Revolut oder Debit Mastercard eignet sich hervorragend für alle Auslandszahlungen, die kein Bargeld erfordern, z.B. in Restaurants und Geschäften.
  • Zwar kann dir jede physische Karte gestohlen oder du gezwungen werden, Geld abzuheben. Die Wahrscheinlichkeit, dabei (viel) Geld zu verlieren ist aber überschaubar, vor allem, wenn du die Limiten tief hältst (die Gold Karte mit der hohen Limite lieber nicht nach São Paulo mitnehmen...).