Mittwoch, 14. Dezember 2016

Working Mom - der Kampf um eine angemessene Teilzeit-Arbeit

Um es vorneweg zu nehmen: Der Artikel gilt natürlich auch für Teilzeit-arbeitende Männer. Leider gibt es von ihnen nach wie vor zu wenige und meiner Meinung nach nur zum Teil aus guten Gründen. Den Artikel hier schreibe ich auch für Mamis, die keine andere Lösung sehen, als Vollzeit zu arbeiten, eigentlich aber lieber Teilzeit würden - und damit mehr Zeit für sich oder den Nachwuchs hätten.

Wie stellt man es an, Teilzeit zu arbeiten und trotzdem glücklich zu sein?

Ist es ein Widerspruch? Für mich kam mit dem Kind der bekannte Karriereknick. Genauer genommen kam er, weil ich mich entschied, Teilzeit zu arbeiten. Mein Arbeitgeber vor und während der Schwangerschaft akzeptierte nicht mal mein Angebot von 80%. Rückblickend muss ich sagen, zum Glück, denn ich hätte nach drei oder vier Monaten niemals wieder vier Tage die Woche arbeiten können. Mein Baby und ich waren viel zu abhängig voneinander. Es hätte mir das Herz aus der Brust gerissen. Also liess ich mir kündigen und bezog Arbeitslosengeld - ohne Scham!

Das ermöglichte mir schlussendlich 8.5 Monate Babypause. Ich konnte voll stillen und fand dann eine Position im 70% Pensum. Auch dann stillte ich noch ein halbes Jahr morgens und abends. Nach einem halben Jahr reduzierte ich auf 60%. Ich muss sagen - es war ein Fehler meinerseits, a) 70% gearbeitet zu haben, b) einen langen Arbeitsweg akzeptiert zu haben und c) hätte ich auch wissen sollen, dass eine Stelle, die zuerst als Vollzeit ausgeschrieben war und für mich dann "modifiziert" wurde, zu streng werden würde. Sie drücken dann nämlich einfach alle Arbeiten der Vollzeitstelle in eine Teilzeitstelle. Ohne Rücksicht. Aber dazu unten mehr.

Wenn man Teilzeit arbeiten will - zu einem angemessenen Lohn - dann ist man zu Kompromissen bereit.

In diesem wie auch in den meisten andern Ländern ist Teilzeitarbeit und Karriere leider ein Widerspruch. Ebenso für Männer wie für Frauen. Dass Frauen sich - einmal mehr - dennoch opfern und Kompromisse eingehen, ist ihnen hoch anzurechnen. Zusätzlich zu den Strapazen während und nach der Schwangerschaft sowie den körperlichen (auch permanenten) Veränderungen kommt auch die berufliche Umstellung hinzu. Manch eine erfährt erst jetzt, wie es ist, auf dem Arbeitsmarkt nicht mehr als erste Wahl sondern eher "damaged goods" zu gelten. Man schreibt so viele Bewerbungen und kriegt Absagen am Laufmeter.

So. Aber wie geht frau am besten damit um? :)

1.) Überlege Dir gut, was Du wirklich willst.


Ja, es wird vermutlich ein Kompromiss sein. Deine Traumstelle gibt es mit grosser Wahrscheinlichkeit nicht im Teilzeitpensum oder Jobsharing. Aber versuch trotzdem, zwei, drei Muss-Kriterien zu definieren und halte an ihnen fest. Warum? Weil es genug schwer sein wird, den Kompromiss in der Qualität / intellektuellen Herausforderung zu ertragen, wenn man beim Lohn auch klein beigegeben hat, einen langen Arbeitsweg in Kauf genommen hat und / oder nun ein Team voller Deutscher Grossmäuler ertragen muss.

2.) Bewirb Dich nur auf die Stellen, die Dich auch interessieren.


Alles andere ist einfach Zeitverschwendung. Wenn das RAV Dir 12 oder mehr Bewerbungen (AUF TEILZEITSTELLEN!? Die gibt es ja wie Sand am Meer!) aufgebrummt hat, lach drüber und mach, was alle Mütter in der Situation machen sollten: Investiere Deine wertvolle Zeit in gute Bewerbungen auf Stellen, die Dich a) interessieren (siehe 1.) und b) bei denen Du Dir realistischerweise Chancen ausrechnen kannst. 

Für die restlichen Bewerbungen rufst Du auf Stelleninserate an, die kein Pensum angegeben haben, und fragst, ob sie in Teilzeit verfügbar seien. Die Antwort ist praktisch immer Nein, aber es gilt als telefonische Bewerbung.

3.) Bewirb Dich spontan


Die Chancen sind zwar recht klein, aber je nachdem könntest Du damit mehr Erfolg haben, als mit Stellen, die ausgeschrieben sind. Warum? Gerade bei (Schweizer) KMUs, die wachsen, werden ab und zu (und zwar recht häufig) Stellen neu geschaffen. Der Vorteil einer neu geschaffenen Stelle ist, dass sie noch keine "Altlasten" trägt. Ein Rolle, die aus der Zusammenstreichung von drei andern Positionen und aus "Optimierungen" aus drei Reorganisationen entstanden ist, sollte man sich echt nicht antun - viel zu viel Arbeit, schlechte Stimmung, kein Entwicklungspotenzial.

Hör Dich also etwas rum, welche Firmen wachsen: Indizien sind viele ausgeschriebene Stellen oder dass sie regelmässig an Messen auftauchen oder ihre Leute an Kurse / Events schicken (Social Media monitoren). Muss eine Firma sparen, erlässt sie normalerweise als erstes einen Anstellungsstopp (= keine Stellen ausgeschrieben), reduziert Werbemassnahmen und streicht Kurse und Eventteilnahmen für die Mitarbeitenden. Sie verstummt.

4.) Wenn Du eine Stelle hast, die Dir nicht so gefällt, such unbedingt weiter!


Beim RAV wird einem gesagt, dass man bessere Chancen hat, eine Stelle zu finden, wenn man schon eine hat. Tendenziell stimmt das. Ich hatte aber schon mehrmals die Situation, dass ich eine Stelle nicht gekriegt hab, weil ich drei Monate Kündigungsfrist gehabt hätte - sie wollten nicht so lange warten. Sie stellten lieber jemand sofort verfügbares ein, auch wenn das bedeutete, dass die Person gerade arbeitslos war. Interessant, oder? Zweimal war übrigens ich diese Person, die sofort verfügbar war, und deshalb den Job kriegte.

Nun ist es so, dass im ersten Jahr in einer neuen Stelle meistens nur einen Monat Kündigungsfrist gilt, danach drei (oder im Kader sogar mehr). Merkst Du also im ersten Jahr, dass Du nicht so happy bist mit dem Job, dann such intensiv weiter. Ein Monat Kündigungsfrist ist ein echter Vorteil!

5.) Wenn Du eine Stelle hast, die Dir grundsätzlich gefällt, verhalt Dich ruhig! :)


Warum ich das betone? Weil ich (leider) mehrmals gesehen habe, dass sich die Frauen viel länger in einer Firma halten, die nicht meckern.
Es ist traurig und macht mich wütend, aber es ist halt ein Fakt... der faulste Kompromiss überhaupt, wahrscheinlich, aber so ist es nunmal. Darum rate ich Dir: Sag ja nichts, was Deine/n Chef/in sauer machen könnte. Widersprich ihm/ihr nicht, schon gar nicht vor andern, und sei so diplomatisch wie Du irgend kannst.

Ich hab in einer Firma gearbeitet, da laberte die Geschäftsleitung dauernd davon, dass sie Offenheit von den Leuten wollten. Dass man sich über Hierarchiestufen wegsetzen könne, wenn man Verbesserungsvorschläge hätte. Man organisierte auch dauernd Apéros (natürlich erst nach 17 Uhr damit ja die Freizeit drauf geht, nicht die Arbeitszeit) um eine "cozy" Atmosphäre zu schaffen. Leistung wurde weniger geschätzt, als labern. Wer mit allen "grün" war, konnte auch jedes Projekt verspätet erledigen, eine unterdurchschnittliche Verrechenbarkeit haben und für jeden Scheiss einstündige Meetings einberaumen.

Also: Wenn Du, liebe Mutter (lieber Vater), eine Teilzeitarbeitstelle gefunden hast, die wenigstens zwei, drei Musskriterien erfüllt, dann verhalte Dich ruhig. Sei dankbar. Sag Dir, dass Du Deine Verwirklichung (vorläufig) in der Familie gefunden hast und nimm es nicht so ernst, wenn irgendein Verlierer im Büro befördert wird, während man Deine Leistung übersieht. Lächle. Wirke ja nie zickig oder unzufrieden. Und wenn Du an zu viele Apéros (mit diesen Losern) musst (ja, musst...), dann kompensiere diese gestohlene Zeit einfach mit dem einen oder andern Krankheitstag. Denn ehrlich sagen, dass Du keine Lust auf Apéros hast, und auch nicht verpflichtet sein solltest, an ihnen teil zu nehmen, rächt sich. Glaub mir. Sie werden sagen, Du identifizierst Dich zu wenig mit der Firma. Ihrer Firma. Nicht Deiner. Also: Ehrlichkeit wird total überwertet.

Viel Glück auf der Suche und denk immer dran: