Montag, 21. August 2017

Die perfekte Bewerbung schreiben - oder wie man HR-Bots bedient

Kurz nach meinem letzten Post übers Decodieren von Stelleninseraten las ich kürzlich einen Artikel über die Art, wie man heutzutage Bewerbungen formulieren soll, respektive eben nicht. Die Vorschläge fände ich an sich gut, jedoch weiss ich aus guter Quelle (Kollegin arbeitet als HR Fachfrau), dass das Bewerbungsschreiben nur etwa zu 5% beeinflusst, ob man eingeladen wird. Also was macht heute die perfekte Bewerbung aus?

Ganz nach meinen Grundwerten Pragmatismus und Effizienz, gebe ich den einzelnen Bestandteilen einer Bewerbung Punkte, die man damit beim HR-Menschen maximal holen kann. Dementsprechend sollte man in diese Bestandteilen mehr oder weniger Zeit investieren.


  1. Relevante Berufserfahrung (hervorgehoben) aka Übereinstimmung mit Stichworten (Bot-Match) - 50%
  2. Verfügbarkeit - 15%
  3. Kostenfaktor - 10%
  4. Allgemeine Risikofaktoren (identifiziert oder vermutet) - 10%
  5. Foto - 5%-10%
  6. Form (korrekte Schreibweise, Strukturierter Aufbau, Design) - 5%
  7. Bonus: Zeugnisse - 5%


Im Detail nach absteigender Wichtigkeit:

Relevante Berufserfahrung aka Bot-Match - 50%


HR muss unter den vielen, vielen Bewerbungen die maximal zehn passendsten Dossiers herauslesen und der Linie präsentieren. Primär entscheidet die für die Stelle relevante Berufserfahrung, ob man in die Selektion kommt. Entweder bewirbst du dich also nur für Stellen, für die deine Erfahrung perfekt passt, oder du spekulierst darauf, dass deine Persönlichkeit die mangelnde Erfahrung ausgleichen wird, und machst deinen CV passend. So oder so müssen sämtliche im Inserat erwähnte geforderte Erfahrungen und Skills abgedeckt sein und EXAKT so heissen, wie im Stelleninserat. Heutzutage lesen die HR Leute die Bewerbungen nämlich nicht mehr selber, sondern lassen sie von einem Bot scannen. Dieser spuckt dann genau die Dossiers aus, die am meisten Worte enthalten, die im Inserat vorkommen. Allenfalls gibt der HR-Mensch noch zusätzliche Worte ein (semantische Suche), ich würde aber nicht darauf wetten. Personaler finden nämlich immer, sie hätten zu viel zu tun, und überlassen die Arbeit gern andern.

Mit 50% Chance fällst du bei dieser ersten Selektion auch durch, wenn alle Stichworte passen. Also vergib dir diese Möglichkeit nicht, wenn du den Job unbedingt willst. Denke auch daran, dass die meisten Bewerber heute flunkern, was das Zeug hält, weil der Arbeitsmarkt so angespannt ist.

Verfügbarkeit - 15%


Wird immer als erstes abgeklärt und dazu gehört natürlich auch eine gültige Arbeitserlaubnis im Land.

Die Wichtigkeit der Verfügbarkeit zeigt sich auch daran, dass selbst wenn die Information bereits deutlich im Dossier stand, es der HRler beim Telefonscreening noch einmal verifiziert. Er hat die Stelle so schnell wie möglich zu besetzen. Immer. Je eher ein neuer Kandidat anfangen kann, desto besser. Da es so viele Kandidaten hat, die - leider - oft austauschbar sind, macht die Verfügbarkeit einen entscheidenden Unterschied.

DARUM: Behaupte immer, einen Monat Kündigungsfrist zu haben. Selbst wenn es nicht stimmt. Solltest du die Stelle bekommen, stelle deinen alten Arbeitgeber vor die Wahl. Sag ihm, wenn er dich nicht früher aus dem Arbeitsvertrag entlässt, wirst du keinen Finger mehr krümmen und dich immer wieder tageweise krank schreiben lassen (das geht!). Wenn du Angst vor einem schlechten Zeugnis hast, weise ich dich an der Stelle darauf hin, dass Arbeitszeugnisse irrelevant sind. Niemand schaut sie an. Und ich möchte dich auch daran erinnern, dass du deinem Arbeitgeber keine Dankbarkeit schuldest. Spätestens wenn du das erste mal aufgrund von "schlechtem Geschäftsgang" gefeuert wurdest, wirst du alle Skrupel von Bord werfen. Wichtiger als Zeugnisse (die leicht gefälscht werden können!) sind dem HRler persönliche Referenzen. Die kann man aber auch faken.


Kostenfaktor - 10%


Kompromisslos, wie ich bin, schreibe ich meine Gehaltsvorstellungen jeweils ins Dossier. Man liest zwar überall, dass man das nicht tun sollte, aber wenn man seinen Marktwert kennt, soll man ihn auch gleich festhalten. Damit reduziert man das Risiko, für Interviews vorgeladen zu werden, nur um im Anschluss zu erfahren, dass man mit seinen Gehaltsvorstellungen weit daneben liegt.

Das ist vor allem dann der Fall, wenn eine Firma kein Telefonscreening macht, aber selbst dann ist es mir schon passiert, dass man mich erst nach der dritten Gesprächsrunde runterhandeln wollte. Schon mehrfach. Scheint eine Strategie der Firmen zu sein im Stil von "Jetzt hat sie so viel Zeit investiert, jetzt will sie den Job sicher auch für weniger Geld."

Wenn man sich über das Gehalt nicht einigen kann, dann hat der ganze Zirkus keinen Wert. Zeitverschwendung. Falls beim Telefonscreening das Gehalt NICHT erfragt werden sollte, erfrage du es. Spare Zeit und Nerven. Es ist eine total legitime Frage. Du gehst ja nicht für Komplimente arbeiten.

Wenn man die Vorstellung ins Dossier schreibt, heisst das übrigens nicht, dass der Arbeitgeber nicht noch etwas nachverhandeln kann. Du allerdings nicht mehr (nach oben). Darum schlag eine Verhandlungsreserve drauf.

Allgemeine Risikofaktoren - 10%


Was ist damit gemeint? Verschiedenes. Üblicherweise möchten die Firmen gesunde, belastbare, ausgeglichene, kostengünstige Leute einstellen. Eine Frau zwischen 25 und 35 ist eine Risikokandidatin, denn sie könnte schwanger werden. Statistisch gesehen haben die meisten Frauen zwischen 25 und 35 irgendwann einmal ein Kind (nicht nur aber vor allem darum sind Frauen nicht so beliebte Arbeitskräfte wie Männer).

Risikofaktor höheres Alter. Leute über 50 kosten den Arbeitgeber nicht nur mehr Sozialabgaben, sondern bergen auch das Risiko, aus gesundheitlichen Gründen auszufallen. Sie gelten als weniger anpassungswillig und weniger belastbar. Oder anders: Von einem 25jährigen kann man eher Abend- und Wochenendarbeit einfordern, als von einem 55jährigen. Ist so. Dafür weiss der 55jährige eher, wie man etwas (richtig) macht und verursacht weniger Leerläufe.

Wie entgeht man der Risikofaktor-Falle?

Als Frau in gebärfähigem Alter

Dass man als Frau diskriminiert werden kann - legal - ist ungerecht. In vielen Ländern ist es daher gesetzlich verboten, demografische Daten der Bewerber/innen abzufragen. In der Schweiz ist es leider erlaubt und ermöglicht so Diskriminierung, lange vor dem ersten Telefonscreening. Was tun? Ganz einfach - die Wahrheit verschleiern oder schlicht lügen.

Sein eigenes Geschlecht verschleiern ist keine erfolgversprechende Lösung, da spätestens beim persönlichen Gespräch die Wahrheit ans Licht kommt. Aber wenn frau konsequent und kompromisslos ist, kann sie behaupten, lesbisch zu sein. Man kann den Punkt bereits im Dossier "abhaken", indem man eine eingetragene Partnerschaft und / die Partnerin erwähnt. Um der "Schwangerschafts-"Diskriminierung zu entgehen, sollten Frauen meiner Meinung nach zur Lesbenlüge greifen dürfen. Und wenn man nicht eingeladen wird, weil man Lesbe ist, ist es eh der falsche Betrieb. (Und wenn du nachher trotzdem schwanger wirst - niemals rechtfertigen!!! Auch Lesben werden schwanger! :))

Als Person über 50

Alter nicht erwähnen oder "Schreibfehler" machen. Auch hier ermöglicht der Gesetzgeber noch Diskriminierung im grossen Stil. Um sich wenigstens eine Chance auf ein Vorstellungsgespräch zu bewahren, sollten sich ältere Arbeitnehmer meiner Meinung nach einen Schreibfehler beim Geburtsjahr erlauben: Statt 1961 halt 1991. Damit wird aus einem 56jährigen ein 26jähriger. Wenn das HR nicht darüber lachen kann, dann hoffentlich du. Bestenfalls hast du dir damit Chancen auf eine Stelle wahrgenommen, die du sonst nicht gehabt hättest. Dass die Firma das Gespräch abbricht, wenn du bereits dort bist, ist übrigens unwahrscheinlich. Eher werden sie es durchziehen und du kannst sie vielleicht trotz deines Alters von dir überzeugen.

Als Person mit physischen Gebrechen (z.B. Rollstuhl, Übergewicht, Allergien etc.)

Wird üblicherweise nicht abgefragt. Für Bürojobs ist man ja recht lange noch gleichwertig wie Leute ohne Handicaps. Ich würde es also nicht erwähnen und nur darauf eingehen, wenn es vom Gegenüber adressiert wird.



Foto - 5%-10%

Man könnte darüber streiten, wie ausschlaggebend das Foto wirklich ist. Kommt drauf an, wann im Prozess. Bei der ersten Selektion durch die HR-Leute ist es von untergeordneter Bedeutung. Spätestens wenn HR aber der Linie die zehn, fünfzehn Dossiers vorlegt, wird das Foto wichtiger.

Die Linie schaut meiner Erfahrung nach zu 50% aufs Foto und nur noch zu 20% auf die Qualifikationen.

Es ist wissenschaftlich belegt, dass gutes Aussehen der Karriere hilft. Doch selbst wer findet, er gelte nicht als gemeinhin "attraktiv" - oder gerade dann - sollte ein sehr gutes Foto von sich verwenden. Bei meiner Kollegin im HR habe ich zig mal schreckliche Bewerbungsfotos gesehen und mich immer gefragt, was diese Kandidatinnen (vor allem Frauen) sich nur dabei gedacht haben. Tiefe Ausschnitte, viel zu stark geschminkt, Ferienfotos - alles Üble!

Analysieren wir einmal dieses, an sich valable Foto. Ist der spätere Chef ein Mann, funktioniert dieses sicher perfekt, wegen der offenen Haare, der leicht glitzernden vollen Lippen und dem angedeuteten Busen. Ist die zukünftige Chefin weiblich, gäben ein Blazer, hochgestecktes Haar und eine Brille Pluspunkte. Auch Lipgloss ist bei emanzipierten Frauen (im Büro) eher verpönt. Wie auch roter Lippenstift und auffällig farbige Fingernägel.

Ich persönlich mag auch keine Fotos, auf denen die Kandidaten die Arme verschränken. Wirkt so pseudo-selbstbewusst. Ein zu breites Grinsen wirkt auch doof. Konkrete Tipps findet man hier. Wenn man als Arbeitnehmer nicht wegen seiner Etnizität diskriminiert werden will, muss man unter Umständen ein falsches Foto einsetzen. Ansonsten erhält man gar keinen Vorstellungstermin und somit überhaupt keine Chance.

Man kann gute Fotos übrigens auch ohne Profifotograf mithilfe eines Freundes und eines neueren iPhones schiessen. Das A und O sind ein gutes Outfit und ein bewölkter Tag in den Mittagsstunden. Das kommt einer Studiobeleuchtung am nächsten. In die Sonne stehen sollte man allerdings nicht (Schatten, blenden) und der Hintergrund sollte möglichst neutral und unscharf sein. Hat man Hautunreinheiten und Augenringe empfehle ich eine gute Feuchtigkeitscreme, ein stark deckendes Makeup und Puder. So wie Bella in Twilight.

Form - 5%


Die Form des Dossiers ist nicht so wichtig, wie allgemein angenommen. Kreativität sollte man keinesfalls demonstrieren. Eher Geschmack. Ich empfehle, sich hier eine Vorlage von einem Bekannten aus der HR Branche geben zu lassen oder dann im Internet zu suchen. Oder, aber das ist etwas fies, eine Stelle per Chiffre ausschreiben und schauen, was alles so reinkommt. Zum Beispiel auf kleinanzeigen.ch Dann hat man gleich haufenweise Vorlagen (und auch schlechte Beispiele).

Auf jeden Fall müssen Dossiers als PDFs abgespeichert werden, nie als Grafiken. Sonst kann sie der Bot nicht auslesen!

Zur Form gehört auch das Bewerbungsschreiben. Selbst HR-Leute sehen das Bewerbungsschreiben nur als höfliches Blabla. Wie im Artikel erwähnt, sind die meisten Informationen, die Bewerber heutzutage in den Brief schreiben, bereits im Lebenslauf enthalten und somit überflüssig. Man sollte daher nur hervorheben, was für die Stelle wirklich wichtig ist, und das konzise begründen. Sind sieben Anforderungen gelistet, sollte man sich auf die ersten zwei oder drei beschränken. Sonst wird der Brief zu lang.

Vor allem beim Satz, wieso man bei der besagten Firma arbeiten möchte, sollte man sich etwas gutes überlegen. Die Frage wird auch beim Interview kommen und Antworten wie "Ich brauche einen Job", "Der Arbeitsweg ist kürzer" oder "Mein Freund arbeitet hier" sind nicht zu empfehlen. Arbeitet ein Bekannter dort und hat gut über die Unternehmenskultur berichtet, ist dies aber sehr wohl eine Begründung.

Bonus - Zeugnisse - 5%


Man kann eine Bewerbung ohne Zeugnisse einreichen. Viele HR-Fachleute haben dafür Verständnis, dass man sie nicht von Anfang an mitschickt. Es sind meistens grosse Files (weil Scans) und sie enthalten üblicherweise wenig verwertbare Information. Reicht man sie trotzdem von Anfang an ein, kann die HR Person die Berufserfahrung anhand der Zeugnisse verifizieren und muss nicht mehr danach fragen. Vielleicht werden sie auch gelesen, aber wahrscheinlich erst später im Prozess. Relevanter wird zum Schluss eine persönliche Referenz, aber die gibt man nicht schon in der Bewerbung an und in diesem Artikel gings ja um die perfekte Bewerbung. ;-) Es lohnt sich aber, sämtliche Arbeitszeugnisse auf Codierungen zu prüfen und allenfalls nachbessern zu lassen. Wenn das nicht mehr geht, weil zu lange her: selber nachbessern. Niemals nur eine Arbeitsbestätigung beilegen, denn das macht zu recht stutzig.

Kleiner Tipp zum Abschluss: Die Bewerbung ist nur die halbe Miete. Üblicherweise werden drei bis fünf Kandidaten für die erste Interview-Runde eingeladen. Man sollte sich also nicht zu früh freuen. Immerhin kann man sich selber loben, wenn man eingeladen wird. Wahrscheinlich hat man 100 bis 200 Konkurrenten hinter sich gelassen.

Viel Erfolg!

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