Montag, 21. August 2017

Die perfekte Bewerbung schreiben - oder wie man HR-Bots bedient

Kurz nach meinem letzten Post übers Decodieren von Stelleninseraten las ich kürzlich einen Artikel über die Art, wie man heutzutage Bewerbungen formulieren soll, respektive eben nicht. Die Vorschläge fände ich an sich gut, jedoch weiss ich aus guter Quelle (Kollegin arbeitet als HR Fachfrau), dass das Bewerbungsschreiben nur etwa zu 5% beeinflusst, ob man eingeladen wird. Also was macht heute die perfekte Bewerbung aus?

Ganz nach meinen Grundwerten Pragmatismus und Effizienz, gebe ich den einzelnen Bestandteilen einer Bewerbung Punkte, die man damit beim HR-Menschen maximal holen kann. Dementsprechend sollte man in diese Bestandteilen mehr oder weniger Zeit investieren.


  1. Relevante Berufserfahrung (hervorgehoben) aka Übereinstimmung mit Stichworten (Bot-Match) - 50%
  2. Verfügbarkeit - 15%
  3. Kostenfaktor - 10%
  4. Allgemeine Risikofaktoren (identifiziert oder vermutet) - 10%
  5. Foto - 5%-10%
  6. Form (korrekte Schreibweise, Strukturierter Aufbau, Design) - 5%
  7. Bonus: Zeugnisse - 5%


Im Detail nach absteigender Wichtigkeit:

Relevante Berufserfahrung aka Bot-Match - 50%


HR muss unter den vielen, vielen Bewerbungen die maximal zehn passendsten Dossiers herauslesen und der Linie präsentieren. Primär entscheidet die für die Stelle relevante Berufserfahrung, ob man in die Selektion kommt. Entweder bewirbst du dich also nur für Stellen, für die deine Erfahrung perfekt passt, oder du spekulierst darauf, dass deine Persönlichkeit die mangelnde Erfahrung ausgleichen wird, und machst deinen CV passend. So oder so müssen sämtliche im Inserat erwähnte geforderte Erfahrungen und Skills abgedeckt sein und EXAKT so heissen, wie im Stelleninserat. Heutzutage lesen die HR Leute die Bewerbungen nämlich nicht mehr selber, sondern lassen sie von einem Bot scannen. Dieser spuckt dann genau die Dossiers aus, die am meisten Worte enthalten, die im Inserat vorkommen. Allenfalls gibt der HR-Mensch noch zusätzliche Worte ein (semantische Suche), ich würde aber nicht darauf wetten. Personaler finden nämlich immer, sie hätten zu viel zu tun, und überlassen die Arbeit gern andern.

Mit 50% Chance fällst du bei dieser ersten Selektion auch durch, wenn alle Stichworte passen. Also vergib dir diese Möglichkeit nicht, wenn du den Job unbedingt willst. Denke auch daran, dass die meisten Bewerber heute flunkern, was das Zeug hält, weil der Arbeitsmarkt so angespannt ist.

Verfügbarkeit - 15%


Wird immer als erstes abgeklärt und dazu gehört natürlich auch eine gültige Arbeitserlaubnis im Land.

Die Wichtigkeit der Verfügbarkeit zeigt sich auch daran, dass selbst wenn die Information bereits deutlich im Dossier stand, es der HRler beim Telefonscreening noch einmal verifiziert. Er hat die Stelle so schnell wie möglich zu besetzen. Immer. Je eher ein neuer Kandidat anfangen kann, desto besser. Da es so viele Kandidaten hat, die - leider - oft austauschbar sind, macht die Verfügbarkeit einen entscheidenden Unterschied.

DARUM: Behaupte immer, einen Monat Kündigungsfrist zu haben. Selbst wenn es nicht stimmt. Solltest du die Stelle bekommen, stelle deinen alten Arbeitgeber vor die Wahl. Sag ihm, wenn er dich nicht früher aus dem Arbeitsvertrag entlässt, wirst du keinen Finger mehr krümmen und dich immer wieder tageweise krank schreiben lassen (das geht!). Wenn du Angst vor einem schlechten Zeugnis hast, weise ich dich an der Stelle darauf hin, dass Arbeitszeugnisse irrelevant sind. Niemand schaut sie an. Und ich möchte dich auch daran erinnern, dass du deinem Arbeitgeber keine Dankbarkeit schuldest. Spätestens wenn du das erste mal aufgrund von "schlechtem Geschäftsgang" gefeuert wurdest, wirst du alle Skrupel von Bord werfen. Wichtiger als Zeugnisse (die leicht gefälscht werden können!) sind dem HRler persönliche Referenzen. Die kann man aber auch faken.


Kostenfaktor - 10%


Kompromisslos, wie ich bin, schreibe ich meine Gehaltsvorstellungen jeweils ins Dossier. Man liest zwar überall, dass man das nicht tun sollte, aber wenn man seinen Marktwert kennt, soll man ihn auch gleich festhalten. Damit reduziert man das Risiko, für Interviews vorgeladen zu werden, nur um im Anschluss zu erfahren, dass man mit seinen Gehaltsvorstellungen weit daneben liegt.

Das ist vor allem dann der Fall, wenn eine Firma kein Telefonscreening macht, aber selbst dann ist es mir schon passiert, dass man mich erst nach der dritten Gesprächsrunde runterhandeln wollte. Schon mehrfach. Scheint eine Strategie der Firmen zu sein im Stil von "Jetzt hat sie so viel Zeit investiert, jetzt will sie den Job sicher auch für weniger Geld."

Wenn man sich über das Gehalt nicht einigen kann, dann hat der ganze Zirkus keinen Wert. Zeitverschwendung. Falls beim Telefonscreening das Gehalt NICHT erfragt werden sollte, erfrage du es. Spare Zeit und Nerven. Es ist eine total legitime Frage. Du gehst ja nicht für Komplimente arbeiten.

Wenn man die Vorstellung ins Dossier schreibt, heisst das übrigens nicht, dass der Arbeitgeber nicht noch etwas nachverhandeln kann. Du allerdings nicht mehr (nach oben). Darum schlag eine Verhandlungsreserve drauf.

Allgemeine Risikofaktoren - 10%


Was ist damit gemeint? Verschiedenes. Üblicherweise möchten die Firmen gesunde, belastbare, ausgeglichene, kostengünstige Leute einstellen. Eine Frau zwischen 25 und 35 ist eine Risikokandidatin, denn sie könnte schwanger werden. Statistisch gesehen haben die meisten Frauen zwischen 25 und 35 irgendwann einmal ein Kind (nicht nur aber vor allem darum sind Frauen nicht so beliebte Arbeitskräfte wie Männer).

Risikofaktor höheres Alter. Leute über 50 kosten den Arbeitgeber nicht nur mehr Sozialabgaben, sondern bergen auch das Risiko, aus gesundheitlichen Gründen auszufallen. Sie gelten als weniger anpassungswillig und weniger belastbar. Oder anders: Von einem 25jährigen kann man eher Abend- und Wochenendarbeit einfordern, als von einem 55jährigen. Ist so. Dafür weiss der 55jährige eher, wie man etwas (richtig) macht und verursacht weniger Leerläufe.

Wie entgeht man der Risikofaktor-Falle?

Als Frau in gebärfähigem Alter

Dass man als Frau diskriminiert werden kann - legal - ist ungerecht. In vielen Ländern ist es daher gesetzlich verboten, demografische Daten der Bewerber/innen abzufragen. In der Schweiz ist es leider erlaubt und ermöglicht so Diskriminierung, lange vor dem ersten Telefonscreening. Was tun? Ganz einfach - die Wahrheit verschleiern oder schlicht lügen.

Sein eigenes Geschlecht verschleiern ist keine erfolgversprechende Lösung, da spätestens beim persönlichen Gespräch die Wahrheit ans Licht kommt. Aber wenn frau konsequent und kompromisslos ist, kann sie behaupten, lesbisch zu sein. Man kann den Punkt bereits im Dossier "abhaken", indem man eine eingetragene Partnerschaft und / die Partnerin erwähnt. Um der "Schwangerschafts-"Diskriminierung zu entgehen, sollten Frauen meiner Meinung nach zur Lesbenlüge greifen dürfen. Und wenn man nicht eingeladen wird, weil man Lesbe ist, ist es eh der falsche Betrieb. (Und wenn du nachher trotzdem schwanger wirst - niemals rechtfertigen!!! Auch Lesben werden schwanger! :))

Als Person über 50

Alter nicht erwähnen oder "Schreibfehler" machen. Auch hier ermöglicht der Gesetzgeber noch Diskriminierung im grossen Stil. Um sich wenigstens eine Chance auf ein Vorstellungsgespräch zu bewahren, sollten sich ältere Arbeitnehmer meiner Meinung nach einen Schreibfehler beim Geburtsjahr erlauben: Statt 1961 halt 1991. Damit wird aus einem 56jährigen ein 26jähriger. Wenn das HR nicht darüber lachen kann, dann hoffentlich du. Bestenfalls hast du dir damit Chancen auf eine Stelle wahrgenommen, die du sonst nicht gehabt hättest. Dass die Firma das Gespräch abbricht, wenn du bereits dort bist, ist übrigens unwahrscheinlich. Eher werden sie es durchziehen und du kannst sie vielleicht trotz deines Alters von dir überzeugen.

Als Person mit physischen Gebrechen (z.B. Rollstuhl, Übergewicht, Allergien etc.)

Wird üblicherweise nicht abgefragt. Für Bürojobs ist man ja recht lange noch gleichwertig wie Leute ohne Handicaps. Ich würde es also nicht erwähnen und nur darauf eingehen, wenn es vom Gegenüber adressiert wird.



Foto - 5%-10%

Man könnte darüber streiten, wie ausschlaggebend das Foto wirklich ist. Kommt drauf an, wann im Prozess. Bei der ersten Selektion durch die HR-Leute ist es von untergeordneter Bedeutung. Spätestens wenn HR aber der Linie die zehn, fünfzehn Dossiers vorlegt, wird das Foto wichtiger.

Die Linie schaut meiner Erfahrung nach zu 50% aufs Foto und nur noch zu 20% auf die Qualifikationen.

Es ist wissenschaftlich belegt, dass gutes Aussehen der Karriere hilft. Doch selbst wer findet, er gelte nicht als gemeinhin "attraktiv" - oder gerade dann - sollte ein sehr gutes Foto von sich verwenden. Bei meiner Kollegin im HR habe ich zig mal schreckliche Bewerbungsfotos gesehen und mich immer gefragt, was diese Kandidatinnen (vor allem Frauen) sich nur dabei gedacht haben. Tiefe Ausschnitte, viel zu stark geschminkt, Ferienfotos - alles Üble!

Analysieren wir einmal dieses, an sich valable Foto. Ist der spätere Chef ein Mann, funktioniert dieses sicher perfekt, wegen der offenen Haare, der leicht glitzernden vollen Lippen und dem angedeuteten Busen. Ist die zukünftige Chefin weiblich, gäben ein Blazer, hochgestecktes Haar und eine Brille Pluspunkte. Auch Lipgloss ist bei emanzipierten Frauen (im Büro) eher verpönt. Wie auch roter Lippenstift und auffällig farbige Fingernägel.

Ich persönlich mag auch keine Fotos, auf denen die Kandidaten die Arme verschränken. Wirkt so pseudo-selbstbewusst. Ein zu breites Grinsen wirkt auch doof. Konkrete Tipps findet man hier. Wenn man als Arbeitnehmer nicht wegen seiner Etnizität diskriminiert werden will, muss man unter Umständen ein falsches Foto einsetzen. Ansonsten erhält man gar keinen Vorstellungstermin und somit überhaupt keine Chance.

Man kann gute Fotos übrigens auch ohne Profifotograf mithilfe eines Freundes und eines neueren iPhones schiessen. Das A und O sind ein gutes Outfit und ein bewölkter Tag in den Mittagsstunden. Das kommt einer Studiobeleuchtung am nächsten. In die Sonne stehen sollte man allerdings nicht (Schatten, blenden) und der Hintergrund sollte möglichst neutral und unscharf sein. Hat man Hautunreinheiten und Augenringe empfehle ich eine gute Feuchtigkeitscreme, ein stark deckendes Makeup und Puder. So wie Bella in Twilight.

Form - 5%


Die Form des Dossiers ist nicht so wichtig, wie allgemein angenommen. Kreativität sollte man keinesfalls demonstrieren. Eher Geschmack. Ich empfehle, sich hier eine Vorlage von einem Bekannten aus der HR Branche geben zu lassen oder dann im Internet zu suchen. Oder, aber das ist etwas fies, eine Stelle per Chiffre ausschreiben und schauen, was alles so reinkommt. Zum Beispiel auf kleinanzeigen.ch Dann hat man gleich haufenweise Vorlagen (und auch schlechte Beispiele).

Auf jeden Fall müssen Dossiers als PDFs abgespeichert werden, nie als Grafiken. Sonst kann sie der Bot nicht auslesen!

Zur Form gehört auch das Bewerbungsschreiben. Selbst HR-Leute sehen das Bewerbungsschreiben nur als höfliches Blabla. Wie im Artikel erwähnt, sind die meisten Informationen, die Bewerber heutzutage in den Brief schreiben, bereits im Lebenslauf enthalten und somit überflüssig. Man sollte daher nur hervorheben, was für die Stelle wirklich wichtig ist, und das konzise begründen. Sind sieben Anforderungen gelistet, sollte man sich auf die ersten zwei oder drei beschränken. Sonst wird der Brief zu lang.

Vor allem beim Satz, wieso man bei der besagten Firma arbeiten möchte, sollte man sich etwas gutes überlegen. Die Frage wird auch beim Interview kommen und Antworten wie "Ich brauche einen Job", "Der Arbeitsweg ist kürzer" oder "Mein Freund arbeitet hier" sind nicht zu empfehlen. Arbeitet ein Bekannter dort und hat gut über die Unternehmenskultur berichtet, ist dies aber sehr wohl eine Begründung.

Bonus - Zeugnisse - 5%


Man kann eine Bewerbung ohne Zeugnisse einreichen. Viele HR-Fachleute haben dafür Verständnis, dass man sie nicht von Anfang an mitschickt. Es sind meistens grosse Files (weil Scans) und sie enthalten üblicherweise wenig verwertbare Information. Reicht man sie trotzdem von Anfang an ein, kann die HR Person die Berufserfahrung anhand der Zeugnisse verifizieren und muss nicht mehr danach fragen. Vielleicht werden sie auch gelesen, aber wahrscheinlich erst später im Prozess. Relevanter wird zum Schluss eine persönliche Referenz, aber die gibt man nicht schon in der Bewerbung an und in diesem Artikel gings ja um die perfekte Bewerbung. ;-) Es lohnt sich aber, sämtliche Arbeitszeugnisse auf Codierungen zu prüfen und allenfalls nachbessern zu lassen. Wenn das nicht mehr geht, weil zu lange her: selber nachbessern. Niemals nur eine Arbeitsbestätigung beilegen, denn das macht zu recht stutzig.

Kleiner Tipp zum Abschluss: Die Bewerbung ist nur die halbe Miete. Üblicherweise werden drei bis fünf Kandidaten für die erste Interview-Runde eingeladen. Man sollte sich also nicht zu früh freuen. Immerhin kann man sich selber loben, wenn man eingeladen wird. Wahrscheinlich hat man 100 bis 200 Konkurrenten hinter sich gelassen.

Viel Erfolg!

Montag, 7. August 2017

Stelleninserate decodieren - Was steht zwischen den Zeilen?

In einer zunehmend dynamischeren Wirtschaft (hire & fire je nach Cash Flow) wird ein Skill für Arbeitnehmende immer wichtiger: Stellensuche. Wir alle hassen es, unsere Zeit dafür einzusetzen. Der Frust ist gross, wenn wir dann erst am Vorstellungsgespräch merken, dass es nicht passt. Den heutigen Post widme ich der klugen Vorselektion durch Decodierung der Stelleninserate.

Die Arbeitgeber möchten möglichst viele Skills und viel Leistung für möglichst wenig Geld. Die Arbeitnehmenden möchten möglichst viel Geld für möglichst stressfreie, interessante Arbeit. Früher, so vor zwanzig, dreissig Jahren, bevor die Frauen die Arbeitswelt nachhaltig stürmten, bevor billige ausländische Arbeitskräfte die Schweiz überfluteten und bevor die Globalisierung und Marktöffnung dazu führte, dass Inder und Osteuropäer unsere Jobs machten, DAMALS muss die Schweiz für Arbeitnehmende das Paradies gewesen sein.

Aber genug der Nostalgie. Was früher "Jobhopping" genannt wurde, ist heute die Kehrseite der Medaille der hohen, durch Reorganisationen sprich den Arbeitgeber induzierten Fluktuation. Man hat meist gar keine Wahl, als alle paar Jahre zu wechseln. Nur schon, um sich zu entwickeln, denn Mitarbeiterförderung und -entwicklung ist nicht mehr en vogue.

Ob man nun mit Headhuntern zusammenarbeitet oder selber Bewerbungen schreibt, man sollte die Anforderungen schon ganz zu Beginn genau prüfen.

Analyse eines Stelleninserats - Beispiel


Anhand folgenden Beispiels einer Digital Marketing Agentur illustriere ich die Diskrepanz zwischen Inserate-Text und eigentlicher Aussage.

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1: Der Job-Titel


Marketing ist etwas anderes, als (Unternehmens-)
Kommunikation. Der eine "Manager" vermarktet ein Angebot, der andere ist für die Marke, PR und allenfalls Investor Relations zuständig. Wenn man aus irgendeinem Grund beides in eine Rolle packt, bleibt zwangsläufig eins von beidem auf der Strecke. Mühsam, wenn man sich dann dafür rechtfertigen muss. Wenn man sich weiter unten dann noch reinzieht, was diese eierlegende Wollmilchsau sonst noch alles für Zuständigkeiten hat, wirkt das 80% Pensum wie reiner Hohn.

Die 80% sind hier entweder als Hinweis auf ein knappes Budget zu verstehen, oder ein Trick, um die Reichweite des Inserats / die Bewerberzahl zu erhöhen.

2: Stratege und Umsetzer


Mit der Formulierung "Strategischer Sparringpartner" wird angedeutet, dass die Geschäftsleitung die (Marketing- und Kommunikations-)Strategie vorgibt, jedoch von dieser Rolle gechallenged werden möchte. Gewichtiger ist hier aber das Wort "Umsetzer" sowie der ziemlich krasse Hinweis, dass die Person die "Marketing Agenda" gegenüber Management, Consulting und - oh weh - Fachspezialisten vertreten werden muss.

Heisst, die Strategie kann sie kaum beeinflussen, für die Umsetzung ist sie weitgehend alleine zuständig aber es werden ihr so gut wie alle reinreden. Mit Eigenverantwortung und Gestaltungsmöglichkeit (siehe Nr. 8) hat das nichts zu tun.

3: Die Aufgaben von fünf verschiedenen Rollen in einer




Rolle 1 - Employer Branding. Das ist etwas, das Grossfirmen betreiben. Dort ist in der Regel ein Gremium von HR- und Kommunikationsleuten gemeinsam zuständig. Ein KMU (wie dieses mit 45 Angestellten), betreibt normalerweise kein systematisches Employer Branding. Wahrscheinlich haben sie dermassen Mühe, Fachkräfte zu finden, oder bereits einen so beschissenen Ruf, dass sie sich systematisch anstrengen müssen.

Rolle 2 - Event Manager. Traurig, aber offenbar wahr - hier ist der Marketingmensch auch fürs Ausrichten von Apéros und Firmenfeiern zuständig. Da Employer Branding auch zu seinen/ihren Tasks gehört, kommen wohl auch die Organisation von Graduates-Auftritten an Unis und externe Fachvorträge dazu. Definitiv nichts, womit sich ein Marketing- oder Kommunikationsspezialist normalerweise beschäftigt.

Rolle 3 - Marketeer. Immerhin, Marketing Aufgaben wie E-Mail Marketing (Newsletters), Content Marketing (Blog) und Social Media gehören doch auch noch zum Profil. Von klassischen Marketingmassnahmen (Print) wird hier allerdings nichts geschrieben. Auch ein Hinweis auf knappes Budget.

Rolle 4 - Networker. Dieses eine Wörtchen würde mich doch eher stutzig machen. Networking gehört eigentlich zu den Aufgaben der GL oder der Sales, weniger zum Marketing. So deplatziert dieses Wort hier in der Gegend rumsteht, steckt bestimmt etwas Unerfreuliches dahinter. Jemand wollte dieses Wort unbedingt noch drin haben. Es war ihm / ihr verdammt wichtig. Möglicherweise war der bisherige Stelleninhaber ein schlechter Netzwerker oder Eigenbrötler.

Rolle 5 - Kommunikations / PR Verantwortlicher.


5: Zwei Jahre Erfahrung genügen


Wenn wir zusammen zählen, kommen wir auf fünf Tätigkeitsprofile in einer (80%) Rolle. Jedenfalls, wenn wir die Funktionsprofile von Grossfirmen als Massstab nehmen. Bei KMUs ist es ja normal, Profile zu kombinieren. Jedenfalls bei den Rollen, die "nur kosten" und keine verrechenbaren Leistungen generieren.

Krass ist dann, zu lesen, dass der erfolgreiche Kandidat nebst einem Studienabschluss lediglich zwei bis drei Jahre Erfahrung mitbringen muss. Man muss sich das mal vorstellen - da kommt die Person von der Uni und schafft es in 24 Monaten, zu lernen, wie man Events organisiert, wie Marketing Automation funktioniert, wie man ansprechende Newsletters gestaltet und versendet, wie man Social Media Marketing betreibt (womöglich auf 6 oder 7 Kanälen parallel), wie Digital Advertising sprich Google AdWords funktionieren, wie man Employer Branding macht, wie man eine Pressemitteilung textet, wie man den Verkauf (und das Consulting?) unterstützt und auch, wie man netzwerkt. Ahja, und man ist dann mit schätzungsweise 25 auch strategischer Sparringpartner der Geschäftsleitung. Klingt für mich recht unrealistisch.

Ist es auch. Was mit "2-3 Jahre Erfahrung" vielmehr gesagt werden will: Wir können dir kein marktübliches Gehalt zahlen. Wir erwarten, dass du das Wissen und die Persönlichkeit eines mittleren Kadermitarbeiters mitbringst, zahlen dir aber nur einen Uni-Abgänger Lohn.

6: Wo der Hund des Vorgängers begraben liegt


In vielen Inserate-Texten werden die Mankos der / des Vorgängers augenscheinlich. Aufgrund des hohen Mitspracherechts der Kollegen und der GL (siehe oben) müsste diese Person vor allem ausgeglichen, belastbar und geduldig sein. Stattdessen steht da "präsentationssicher und argumentationsstark". Mit einer guten Präsentation und starken Argumenten hat man offenbar in diesem KMU mehr zu gewinnen, als mit Sozialkompetenz. Jedenfalls wenn man dem Text glaubt.


Ergebnisorientiert, Eigeninitiative und Organisationstalent deuten darauf hin, dass wer immer diese Rolle vorher wahrgenommen hat, als dies missen liess. Vermutlich jemand, der sich im "Sparringpartnersein", "Schnittstellenabgleich" oder "Networking" verloren hat und vergass, dass er auch noch alles selber umsetzen müsste.

7: Die Standard-Floskeln aka die blanke Lüge


Erfinder von Nonsens und Lügen
In fast jedem Stelleninserat erscheint mindestens ein Standard-Absatz. Diese Floskeln wiederholen sich wie das Logo in jedem Job-Ad der Firma. Kolportiert werden soll die so genannte FIRMENKULTUR. Man soll hier noch etwas vom Spirit der Firma spüren und sich irgendwie angesprochen fühlen. Der Inhalt ist barer Nonsens.

Flache Hierarchien sind kein Garant für zeitnahe, verbindliche Entscheidungen. Im Gegenteil. Flache Hierarchien hat diese Firma hier bestimmt, da ganz offensichtlich alle bei Marketing, Kommunikation, Events und Employer Branding mitreden dürfen und sollen. Je mehr Köche, desto beschissener der Brei (und desto mühsamer die Umsetzung). Die Gestaltungsmöglichkeiten dieser Rolle tendieren eher gegen null.

Nach der obigen Analyse ist klar, dass diese Rolle höchstwahrscheinlich null "systematischen Entwicklungsmöglichkeiten", null Eigenverantwortung und null Gestaltungsmöglichkeit haben wird. Wer so irre ist, sich hier zu bewerben, kann ja mündlich erfragen, wie die Entwicklungsmöglichkeiten genau aussehen - und ab der Antwort laut lachen! :-) Stabsstellen in KMUs haben nie systematische Entwicklungsmöglichkeiten. Und dies hier ist eine Stabsstelle.

8: Sehr gute Sozialleistungen


Als Unternehmer würde ich so etwas niemals in ein Stelleninserat schreiben. Wenn schon, formuliert man das aus. Fünf Wochen Ferien sind in der Schweiz eher der Standard, da das gesetzliche Minimum bereits vier Wochen beträgt. Büroangestellte erwarten heute einfach fünf Wochen Ferien. Dann Vaterschaftsurlaub erwähnen, ohne zu sagen, wie lange der genau wäre... lächerlich.

9: Wir sind lustig und besaufen uns gern



Für mich gehört die Erwähnung einer Bier-Zapfanlage und einer Whisky-Bar unter keinen Umständen in ein Stelleninserat. Auch beim Wort "Firmenreise" läuten schrille Alarmglocken. Wer bei diesem Betrieb einsteigt, gibt sein Privatleben ab.

Was im Stelleninserat fehlt


Echte Entwicklungsmöglichkeiten / Förderung

Wenn ich Stelleninserate lese, hoffe ich immer, irgendwo einen Hinweis darauf zu finden, dass die Firma auch mich weiterbringen möchte, nicht nur ich sie. Mich dünkt, früher war das eher der Fall. Man ging davon aus, dass ein Arbeitsverhältnis ein Geben und Nehmen war. Heute scheint der Markt mit Arbeitnehmenden gesättigt und es ist nur noch ein Nehmen seitens Arbeitgeber.


Teamwork & Unterstützung


Zwar steht "mithilfe interner Unterstützung und externen Partnern", jedoch fehlt im ganzen nachgehenden Text eine Erwähnung dieser internen oder externen Unterstützung. Stattdessen werden nur andere Gremien und Rollen erwähnt, die auf diese hier Einfluss nehmen dürfen. Implizit heisst das, diese Rolle hat kaum echte Unterstützung und lässt sich exakt sagen, was sie wie und wann zu tun hat. Da das Budget allem Anschein nach sehr limitiert ist, wird sich wohl auch die externe Unterstützung im Rahmen halten. Ein Einzelkämpfer also, der rein gar nichts zu melden hat.


Echte Benefits

Flexible Arbeitszeiten, Homeoffice (!), Vergütung ans ÖV-Abo, Finanzierung von Weiterbildungen, Regelmässige Besuche an Fachmessen- und Vorträgen, Reka-Schecks, Möglichkeit, zusätzliche Ferientage einzukaufen oder unbezahlten Urlaub zu nehmen - all das wären echte Benefits für junge Erwachsene. Stattdessen scheint sich alles um das Bürogebäude zu drehen, sprich um die Firma selbst. Auch hier.


Wer sich hier bewerben sollte (wenn überhaupt)



  • Jemand, der direkt von der Uni kommt und noch gar keine Berufserfahrung vorzuweisen hat. In dieser Stelle lernt so jemand in "no time", wie man Anlässe durchführt, Newsletters verschickt, PR Meldungen textet, Employer Branding und Social Media Marketing macht und vermutlich kann man als wissbegieriger junger Mensch auch von den Consultants und Fachspezialisten profitieren. Nach zwei Jahren solltest du aber wieder gehen und irgendwo hin wechseln, wo du dich wirklich entwickeln kannst.

  • Jemand, der keine Freunde hat, z.B. neu in die Schweiz kommt. In dieser Firma wirst du sicher Freunde finden, vorausgesetzt, du gehst an all die Apéros, Firmenreislis und Events. Ob du deinen Job gut machst, ist für dich dann eher zweitrangig.

  • Jemand, dem es grundsätzlich am Allerwertesten vorbeigeht, wenn er IMMER jemanden in der Firma enttäuscht. Weil, mit so vielen, so umfangreichen und komplexen Aufgaben lässt sich das einfach nicht vermeiden.

  • Jemand, der sich niemals aufregt und der über allem steht. Wobei, dann solltest du Polizist/in werden, die verdienen besser, haben bessere Sozialleistungen und echte Entwicklungsmöglichkeiten. :)

Wenn du nicht sicher bist, nutze das Telefon-Screening



Ein von Rekrutierern gern genutztes Instrument ist heutzutage das Telefon-Screening. Die wenigstens HR-Leute haben Lust auf überflüssige Interviews, darum vereinbaren sie zunächst ein Telefonat. Darin klären sie u.a. die Verfügbarkeit des Kandidaten und seine Gehaltsvorstellungen ab. Dieses Telefonat solltest du aber deinerseits auch nutzen, um Unklarheiten zu beseitigen. Beim obigen Inserat würde ich persönlich ganz klar fragen, wo der Schwerpunkt der Aufgaben liegt. Oder ob Homeoffice möglich ist. Alles, was dir sehr wichtig ist in deiner nächsten Stelle, solltest du bereits im Telefonscreening ansprechen. Ansonsten verschwendest du nur deine Zeit, schlimmstenfalls die nächsten zwei Jahre!

Übrigens, wer Mühe hat, Stelleninserate wie dieses hier zu decodieren, der kann auch auf kununu nachlesen, wie andere diesen Arbeitgeber bewertet haben. Oft sind die Feedbacks ein wenig zu barsch - man hinterlässt eher negative Feedbacks als positive - aber auch sehr ehrlich.

Demnächst werde ich einen Blog Post zum Thema Selbständigkeit verfassen. Ich glaube, in der Schweiz sollten sich mehr Leute selbständig machen. Vor allem, weil wir als Angestellte sonst am leidenden Ende der Globalisierung stehen.

Bis bald und danke fürs Lesen! :-)

Mittwoch, 2. August 2017

Was tun mit einem Micromanager-Chef und seinem Aktivismus?

Es gibt den Typ Chef, der ist Micromanager. Meistens sind Micromanager Perfektionisten und tendieren zum Aktivismus. Immer aber sind sie unsichere Persönlichkeiten, die Angst vor dem Unkontrollierbaren haben. Wie man mit Micromanagern am besten umgeht, beschreibe ich im heutigen Post. Eine Tasse Tee passt übrigens gut jetzt. ;-)



Definition Micromanager

Ein Mikromanager ist eine Führungskraft, die sich sehr viel mit Einzelheiten eines von seinen Mitarbeitern oder Kollegen zu lösenden Problems beschäftigt. (Wikipedia)

Besonders stark betroffen vom Micromanager sind natürlich seine Direktunterstellten. Die können sich schlechter abgrenzen, als etwa ein gleichrangiger Kollege. Trotzdem sind Micromanager in alle Richtungen schwierig: Der Chef des Micromanagers schlägt sich mit übermässig vielen Rückfragen und "Save-my-Ass" E-Mails herum. Die gleichrangigen Kollegen ecken beim andersartigen Arbeitsrhythmus und Kommunikationsstil an. Die Stabsfunktionen schliesslich, wie z.B. Human Resources, leiden mit dem Micromanager unter komplizierteren Abläufen und oft markant höherer Fluktuation. Denn auf Dauer halten es nicht viele mit Micromanagern aus, vor allem nicht als Chef. Micromanager verursachen Mehrarbeit, Zeitverlust, "Ehrenrunden" und Frustration. Und dies, obwohl sie es in aller Regel einfach nur "richtig" machen wollen.

Definition Aktivismus

 
Damit ist nicht politischer Aktivismus gemeint, sondern die Tendenz, sinnlose Tätigkeiten auszuführen oder von seinen Mitarbeitenden ausführen zu lassen. Häufig treiben Micromanager ihre Leute zu Aktivismus. Ein Klassiker: Sie erinnern dich vor Ablauf einer Frist daran, dass die Frist bald abläuft. Damit macht sich niemand beliebt, aber dem Micromanager ist das egal. Hauptsache, man eliminiert das Risiko, die heilige Deadline zu verpassen.

Fast jeder Micromanager betreibt Aktivismus.

Was hat der Micromanager eigentlich für ein Problem? 

Werden sich viele fragen, die mit der Spezies zum ersten Mal in Kontakt kommen. Leider hat er nicht nur eins, seine Probleme sind vielfältig:

  • Fehlendes Vertrauen in die Fähigkeit anderer Leute. So grundsätzlich.
  • Kontrollsucht / Machthunger: Micromanager fühlen sich gerne unentbehrlich und wichtig. Wenn sie andere befähigen würden, könnten sie selbst überflüssig werden. So ihre Angst.
  • Narzissmus / Fehlerlosigkeit: Sie denken, sie können es besser. Sie denken, sie seien grundsätzlich überlegen und wollen am liebsten alles selbst erledigen.


Recherchiert man so im Netz, was man gegen Micromanager unternehmen kann, wird einem geraten, man soll behutsam auf sie eingehen. Zum Beispiel "overachieven". Heisst, ihnen keinen Grund geben, an einem zu zweifeln oder einen übermässig zu kontrollieren. Man soll dem Micromanager proaktiv alle Infos zuspielen, die er braucht, um sein Micromanagement-Bedürfnis zu befriedigen. Und man soll sich unbedingt penibel an die Regeln halten (auch wenn das NIEMAND anderes tut). Erst wenn es gaaaaaaaaaaaaaar nicht anders geht, soll man das Gespräch - oder vielleicht gleich einen neuen Job - suchen. Aauf gaaaar keinen Fall soll man den Micromanager Micromanager nennen. 

Ich denke, die meisten dieser Artikel wurden von einem Micromanagern verfasst. :-) Darum taucht auch häufig die Frage an den Leser auf: Kann es sein, dass du selber schuld bist, dass du gemicromanaged wirst? Machst du zu viele Fehler? Arbeitest du unselbständig?

Könnte natürlich sein. Meiner Erfahrung nach micromanagen Micromanager aber auch hoch performante, erfahrene, selbständige Leute, rauben ihnen dadurch den letzten Nerv und mobben sie schlimmstenfalls aus der Firma.

Was kann man also tun?

 

Die erwähnten Artikel zielen alle auf eine Verhaltensänderung der Betroffenen, nicht des Micromanagers. Ich finde das falsch. Das ist, wie wenn alle mit schusssicheren Westen herumlaufen würden, weil einem erlaubt ist, wahllos in der Gegend herum zu ballern. Wenn man es nicht schafft, sich anderweitig vom Micromanager abzugrenzen - sich befördern lassen wäre eine Möglichkeit, das Team wechseln eine andere - dann hätte ich hier ein paar Tipps:

1. Habe ein ehrliches Gespräch mit dem Micromanager


In einem ehrlichen Gespräch unter vier Augen musst du klar festhalten, dass du erkannt hast, dass dein Chef / deine Chefin ein Micromanager ist. Bringe drei Beispiele und halte weitere zehn bereit, falls er / sie die nicht gelten lässt. (Ja, zehn, drei wird er auf die leichte Schulter nehmen, zehn nicht.) Hoffe, dass er nicht alle hören will. Falls doch, erzähle sie ruhig und sachlich. Reg dich nicht auf.

Diese Aufzählung soll dazu führen, dass der Micromanager zugibt, dass er micromanaged. Mach ihm klar, dass du so nicht dein volles Potenzial ausschöpfen kannst und unter fortschreitender Demotivation leidest.


Versichere ihm aber, dass du hinter den Zielen der Abteilung und vor allem der Firma stehst. Betone wann immer es geht die Unternehmensziele, nicht die seiner Abteilung, denn ihm soll klar werden, dass du für die Firma arbeitest, nicht für seine Person. Betone, dass du dein Bestes gibst, die Ziele der Firma zu erreichen, er es dir aber mit seinem Micromanagement schwer macht.

Falls du bereits Jahresziele hast und einige Meilensteine erreicht hast, lege dies jetzt dar und frage konkret, ob dein Chef / deine Chefin in deiner bisherigen Leistungen irgendeinen Grund sieht, dich zu micromanagen.

Falls ja, behandle den Einwand. Halte dich dabei unbedingt an die Fakten! Jeder macht Fehler, steh z deinen. Zeige aber die Verhältnismässigkeit - respektive den Mangel daran - zu den positiven Ergebnissen auf.

Es kann sein, dass der Micromanager einsieht, dass er (tendenziell) falsch gehandelt hat, jeodoch jetzt behauptet, er könne gar nicht anders. In dem Falle sag ihm, dass ihr das gemeinsam versuchen werdet. Und bleib hart. Es zu versuchen oder nicht, ist jetzt nicht mehr allein seine Entscheidung. Dass er es bisher nicht versucht hat, ist Tatsache. Jetzt muss sich etwas ändern.

Fordere den Micromanager auf, dich in Zukunft nicht mehr zu micromanagen und operationalisiere diese Forderung. Etwa so: Ihr hattet bis jetzt jeden Montag ein einstündiges bilaterales Meeting und jeden Freitag musstest du eine halbe Seite Statusreport zu allen Tasks schicken. Neu wird es nur noch alle zwei Wochen eine halbe Stunde bilaterales Meeting geben, welches den Statusreport ersetzt. WENN NÖTIG. Sonst nicht. Und nötig heisst, es gibt etwas zu besprechen / entscheiden.

Wenn der Micromanager den Status eines bestimmten Tasks zwischenzeitlich dringend wissen muss, soll er / sie nachfragen. Es soll möglichst ein Holen seinerseits statt ein institutionalisiertes Bringen deinerseits werden. Denn so ist er immer in der Erklärungsnot, wenn er ab jetzt micromanaged / alles nachkontrolliert.

Behalte dir ausdrücklich das Recht vor, ihn in Zukunft sofort darauf hin zu weisen, wenn er wieder micromanaged. Ihr könnt dafür auch ein Handzeichen vereinbaren, falls ihm das lieber ist. Ziel bei all dem ist, dass bei ihm ein Bewusstsein für sein Fehlverhalten entsteht. Bislang war sein Verhalten für ihn der Goldstandard.

2. Setze deine Forderungen konsequent durch, hake notfalls beim HR nach

Weil, es ist so - langfristig willst du nicht für einen Micromanager arbeiten. Also entweder, er / sie ändert sich, oder du wechselst. Bevor du aber das Handtuch wirfst, gib der Person Zeit, sich zu ändern. Es kommt tatsächlich vor, dass Micromanager nicht merken, dass sie Micromanagen (hier im Artikel zu unterst ein Beispiel). Oft kriegen sie bei Mitarbeiterumfragen brutal schlechte Bewertungen und sind dann total überrascht.


Wenn sich drei, vier Monaten nach eurem Gespräch keine signifikante Besserung eingestellt hat, solltest du dich vertrauensvoll ans HR wenden. HR Abteilungen sind in aller Regel nutzlos, wenn es um persönliche Konflikte wie diesen geht. Sie hassen es, zu schlichten oder Lösungen zu finden. Deshalb erwarte keine Unterstützung von HR, sondern fahre die "Save my Ass" Taktik deinerseits. Beschränke dich darauf, HR korrekt über das Problem zu informieren. Auch darüber, was du bereits unternommen hast und was du und dein Chef eigentlich vereinbart habt. Sag ihnen dann freundlich aber klar, dass sich leider nichts verändert hat in den drei Monaten und dass du der Sache noch zwei weitere Monate gibst, bevor du deinerseits "weitere Optionen" prüfen musst. Die Rede ist von einem Wechsel deinerseits.

HR mag keine Wechsel, denn sie bedeuten Arbeit. HR muss wieder rekrutieren. Wenn es beim Micromanager schon viele Wechsel (aus bekanntem Grund) gegeben hat, schickt HR ihn eventuell in ein Management-Training.

Oft bringen solche Kurse übrigens tatsächlich was, denn dem Micromanager wird dort endlich klar, dass sein Fehlverhalten kein Kavaliersdelikt ist. Er trifft auch auf andere, die aufgrund dieser Probleme in die "Besserungsanstalt" geschickt wurden. 


3. Letzte Möglichkeit: Gehe zum Chef des Micromanagers

Auch möglich ist es, theoretisch, den Chef des Micromanagers in die Pflicht zu nehmen. Er hat diese Person schliesslich in eine Führungsrolle befördert und ist mit schuld daran, dass es jetzt nicht funktioniert. Diese Taktik ist allerdings heikel: Wenn der Chef des Micromanager Bosses dich weniger schätzt oder braucht, als den Micromanager, bist du deinen Job bald los. 

Es kann auch sein, dass der Boss deines Bosses gar nicht weiss, was du alles leistest, weil der Micromanager deine Erfolge als seine eigenen verkauft hat. Das tun sie oft, denn aufgrund ihrer Kontrollsucht schaffen sie es nicht, eigene Leistungen zu generieren, und müssen sich mit anderer Leute Federn schmücken. Sprich die ihres Teams.

Wichtig ist daher, dass du dafür sorgst, dass deine Leistung sichtbar ist, lange bevor du dich beschwerst. Wie man seine Leistung sichtbar macht, beschreibe ich in einem anderen Post. Das ist eine Wissenschaft für sich, und gerade für Frauen elementar, um im Beruf forwärts zu kommen.

Wenn du Konfronation grundsätzlich nicht magst, dann würde ich dir empfehlen, intern oder extern zu wechseln. Es ist nicht deine Pflicht, andere Menschen zu ändern und ich persönlich verstehe jeden sehr gut, der sich den Stress nicht antun will.

Keep calm and move on. Viel Glück!