Montag, 6. März 2017

Smartes, billiges Starbucks-Marketing

Wenn man nichts besonderes zu vermarkten hat, muss man umso kreativer werden. Heute am Beispiel Starbucks Schweiz. Starbucks Schweiz scheint ein eher bescheidenes Marketingbudget zur Verfügung zu haben. Das, oder ein Entscheider ist Rabatten und Geschenken gegenüber eher zurückhaltend eingestellt. Wie funktioniert's?


Persönlich verstehe ich die Produkt- und Preisstrategie dieser Marke (in der Schweiz) leider nicht. Ich frage mich auch grundsätzlich, wer den überteuerten Kaffee und Junkfood kauft. Es ist schon fast innovativ, Junkfood so teuer anzubieten. Überall auf der Welt scheinen die Leute aber vor allem in Starbucks abzuhängen, weil sie dort gratis Internet, Strom und bequeme Sessel kriegen. Die Verpflegung ist Nebensache.



Anyway. Die Marketingstrategie von Starbucks ist dafür glasklar. Ihr Marketing basiert im Wesentlichen auf dem Loyalty-System namens "Starbucks Card". Je nach Umsatz der laufenden 12-Monate erhalten Mitglieder nichts (ausser Werbe-E-mails), kostenlose Sirups, Filterkaffee- oder Tee-Nachschlag. Ausserdem muss man sich, glaub ich, mit der Starbucks Card registrieren, um im Starbucks gratis unbegrenztes WLAN zu erhalten. Dies ist ein sehr, sehr effizienter Hebel, um an Kundendaten und damit den direkten Zugang zu kommen (ausserdem bleiben sie länger im Restaurant und konsumieren mehr - so zumindest die Hoffnung).

Ist ein Kunde einmal im System, erhält er bis zu zehn E-Mails pro Monat (kein Scherz). Die Flut verebbt auch nicht, wenn man die E-Mails monatelang nicht öffnet, nie mehr in den Starbucks geht oder sich geschweige denn in den online Account einloggt (getestet!).

Warum Cheap Starbucks Marketing?


Es wäre ja eins, wenn es für Members echte Vorteile gäbe. Bedenkt man jedoch, wie viel Geld ein "Stern" durchschnittlich kostet (mehr dazu unten), sind die folgenden Vorteile nicht eben attraktiv:

Das gratis Geburi-Getränk gab es früher übrigens bereits beim Green Level. :-(

Einen "Stern" erhält man nicht etwa pro xy Franken Umsatz, sondern - schlau, schlau - pro "Besuch" (bei dem man etwas kauft  - das Geburi-Getränk abholen zählt nicht). Der günstigste Artikel bei Starbucks ist das Gipfeli (Croissant). Ich weiss leider nicht, wie viel eins genau kostet, denn jedes Mal, wenn ich morgens nachsehen ging, waren sie schon ausverkauft.

Darum, schätze ich also, kaufen die Kunden normalerweise einen Kaffee oder Tee. Ein Tee kostet etwas über 5.-, ein Café Latte eher 7.-. Ein Stern kostet einen also einfach gesagt ab CHF 6.- (vorausgesetzt, man kauft nicht noch Junkfood, dann kommt man eher auf 14.-). Bis zum Erreichen des "Green Level" - fünf Sterne - gibt man also mindestens CHF 30.- aus. Das Gold Level erfordert 30 Sterne / CHF 180.-

Die Baristas wenden beim "Besuch" übrigens jeden erdenklichen Trick an, um einem das Geld aus der Tasche zu ziehen - vom Sirup über einen Extra-Shot Espresso bis zu geschmacklich nicht unterscheidbare Nobelkaffeesorten anstatt des üblichen. Ein Glas Wasser zum Espresso gibt es natürlich nicht (gratis), das gibt es nur als San Pellegrino und muss als PET-Flasche separat erstanden werden.

Aber zurück zum Marketing.

Was hat man, ausser der tollen Vorzüge aus obiger Tabelle, überhaupt vom Starbucks Loyality-System? Vor allem Werbung. Alle paar Tage erhält man Ankündigung saisonaler Getränke ohne jeden Rabatt. Hin und wieder schenkt einem Starbucks aber:


  • Doppelte Sterne (regelmässig, aber nur an bestimmten Tagen zu bestimmten Zeiten)
  • Gratis Gebäck oder Getränk beim Kauf einer Packung Tee oder Bohnenkaffee (oft!)
  • 50% Rabatt auf Gebäck (selten) 
  • Neue saisonale Produkte kaufen, die noch nicht offiziell verkauft werden (sehr oft wenn nicht immer!)


Und genau deswegen ist das Cheap Marketing



Ich weiss ja nicht, ob Gold-Level-Member andere E-Mail Angebote kriegen, als Green-Level Member - ich hab noch nie 30 Sterne geschafft (vorher holte mich die Vernunft ein...), aber von diesen vier "Incentives", wie wir sie im Fachjargon nennen, geht für Starbucks kein einziges wirklich ins Geld. Schauen wir uns die einzelnen Goodies an:


  • Doppelte Sterne kosten nichts. Da sämtliche gesammelten Punkte nach genau 12 Monaten sowieso verfallen und es jenseits des Gold-Levels nichts mehr zu "gewinnen" gibt, ist das Risiko für Starbucks extrem Kalkulierbar. So who tf cares? Dass sich Doppelte-Sterne-Tage scheinbar häufen führe ich persönlich darauf zurück, dass viele Kunden säuerlich reagieren, wenn ihnen wiedermal die Punkte zusammen gestrichen wurden. Dann haben sie mit "Double Stars Days" die Möglichkeit, aufzuholen (wobei ja nur zwei Sterne pro Besuch statt einem - woooow...). Auch vermute ich, dass die Massnahme die Leute zuverlässig in die Läden zieht. Natürlich nicht die Gold Member, die haben eh nichts mehr von mehr Punkten.

  • Ein Gratis Gebäck beim Kauf (total überteuerten Tees oder Bohnenkaffees) belastet auch nicht eben das Budget. Ich schätze jetzt mal, da das Angebot fast immer gilt, dass Starbucks die Kunden nur mit diesem "Trade-off" zum Kauf ihrer Tees und Bohnenkaffees animieren kann. Wer benutzt heute eigentlich noch Bohnenkaffee?

  • Dann das billigste Instrument überhaupt - der vorgezogene Zugang zu neuen Produkten. Kostet Starbucks rein gar nichts. Die speziellen Zutaten (Pülverchen, Sirups) erreichen die Filialen wahrscheinlich 14 Tage vor effektivem Verkaufsstart, damit die Baristas üben können. Ein Kunde zahlt also fürs Übungsobjekt - perfekt für Starbucks: damit lässt sich sogar Profit aus der Trainingsphase schlagen und wenn der Drink nicht gelingt, hat man sogar eine charmante Entschuldigung dafür!


Man merkt es vielleicht - ich bin aus Konsumentensicht nicht eben ein Fan von Starbucks. Aus Marketingsicht holen sie mit ihrem augenscheinlich rein digitalen Approach aber ein Maximum aus minimalen Mitteln heraus. Dafür verdienen sie Respekt.

An dieser Stelle möchte ich übrigens meinen Artikel zum schmerzlosen Sparen empfehlen. Und zum Selbermachen von Kaffee. Have fun!



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