Samstag, 8. Dezember 2018

Stress vermeiden, Stress abbauen

Dauerstress ist schädlich für die Gesundheit, schlägt massiv auf die Laune - sowohl im Beruf als auch am Feierabend - und wirkt sich oft negativ auf die Beziehungen zu den Liebsten aus. Heutzutage hat man viel mehr Stress, als es unsere Eltern etwa erlebten. Gerade berufstätige Mütter trifft das besonders hart, da sie nach wie vor auch noch den Löwenanteil an der Hausarbeit und meist auch den ganzen Planungsaufwand tragen. In erster Linie gilt es also, Stress zu vermeiden. Dann aber auch, ihn bewusst abzubauen.

Externe Stressoren erkennen und entschärfen

Überlastung bei der Arbeit vorbeugen

Sehr viele meinen immer noch, schlechte Planung sei die Hauptursache für Stress. Das mag in der Schweiz von 1980 so gewesen sein. Heute ist Stress leider normal. Arbeitgeber teilen heute methodisch immer zu viel Arbeit zu, als ressourcen-technisch überhaupt möglich ist. Ergo: 

Übersteigt die Arbeitslast nicht die Ressourcen des Teams, machen Vorgesetzte etwas falsch.

Umgekehrt heisst das, Arbeitnehmende müssen sich ebenso methodisch wehren, wie ihre Ressourcen von oben gesundheitsfeindlich und respektlos verplant werden. Dies tut man, indem man folgenden Satz bringt (je früher, desto besser. aber unbedingt rechtzeitig):

"Ich erkenne, wie wichtig das ist. Können wir zusammen meine momentanen Prioritäten anschauen? Es ist sich aktuell sehr viel am tun und ich möchte, dass alles gut erledigt wird."

Damit betont man, wie wichtig einem die gute und zeitgerechte Erledigung der Aufgaben ist und spielt den Ball der Planung vor allem dahin, wo er hingehört: Zu den Vorgesetzten.

Was wir nicht machen dürfen: 

  1. Die Aufgaben wortlos hinnehmen, obwohl wir wissen, dass wir dafür irgendwas anderes nicht oder schlecht erledigen werden. Für beides wird man uns verantwortlich machen.
     
  2. Der grösseren Arbeitslast mit Überstunden begegnen. Überstunden und Überzeit müssen notwendig und zumutbar sein. Ich empfehle jedem das hier zu lesen und seinen Arbeitsvertrag genau zu studieren. Das Seco schreibt übrigens zu Überzeit bei Teilzeitarbeitskräften:
    Bei Arbeitnehmenden in Teilzeit ist bei der Beurteilung der Zumutbarkeit zu beachten, dass sie neben der Teilzeitstelle noch andere Verpflichtungen haben können.

Merfachbelastung systematisch abbauen

Nur von "Doppelbelastung" von Beruf und Familie zu sprechen, greift heute zu kurz. Schaut man sich das Leben von heutigen Müttern an, sieht man, dass sie extrem viel mehr Arbeit und Verantwortung haben, als früher. Der Fehler, den sie üblicherweise machen, ist der: Wenn eine Frau Mutter wird, und wieder (teilzeit) arbeiten geht, behält sie trotzdem sämtliche Pflichten beim Haushalt und der Kinderbetreuung (sprich: Planung der Fremdbetreuung) während sich der Papi in aller Regel nach wie vor aufs Geldverdienen beschränkt und zuhause nicht viel beiträgt (ausser Dreck und Wäscheberge, natürlich). Es sind nach wie vor die Mütter, die den Löwenanteil leisten.
Anstatt alles zu erdulden, zu jammern und irgendwann seine Gesundheit zu opfern, schlage ich vor:

  • Partner in die Pflicht nehmen. Ist ein Partner im Haus / im Leben, soll man ihn konsequent und nachdrücklich dazu anhalten, seinen Teil zu leisten, nicht nur monetär - frau verdient ja auch Geld! Er soll auch Wäsche waschen, putzen und einkaufen gehen. Am besten regelmässig, dann kann er sich drauf einstellen. Jedes zweite mal, wenn die Kinder krank sind, hat er zuhause zu bleiben. An Elternabende kann er (allein) gehen, ebenso Zeugs für die Schule basteln / bei den Hausaufgaben helfen. Vielleicht arbeitet er dann irgendwann freiwillig auch Teilzeit. Schön wär's.
  • Kinder früh zu Mithilfe und Selbständigkeit erziehen. Je früher, desto einfacher. Geschirrspülmaschine ausräumen, Tisch decken, Pflanzen giessen, eigene Kleider versorgen oder Bettwäsche wechseln sind Dinge, die uns Mütter sehr entlasten.
  • Mental load methodisch reduzieren. Ich wundere mich manchmal, wie selbstverständlich Frauen und Mütter die ganze Planungsarbeit der Familie übernehmen. Sie denken wahrscheinlich, sonst ginge nichts mehr. Das ist Self-fulfilling-prophecy. Man liegt, wie man sich bettet. Wer das ändern will, delegiert den Familienmitgliedern ihre persönliche Planung und beschränkt sich auf übergeordnete Planungsaufgaben (z.B. Ferien) und seine eigene (z.B. Freizeit, Freunde, Sport, Wellness...).
    Primarschulkinder können ihren Stundenplan nämlich wirklich selber managen, und sonst müssen sie es ganz schnell lernen. Am besten durch die Konsequenzen, die in der Schule folgen werden. Partner lernen in aller Regel leider auch nur durch Konsequenzen. Aber keiner wird einer berufstätigen Mutter schlüssig erklären können, wieso sie deinen Scheiss für dich im Kopf behalten sollte.
  • Sich von egoistischen Grosseltern abgrenzen. Einer der Gründe, wieso wir heute so unfassbar krasser belastet sind, als früher, ist der, dass die Grosseltern sich nicht mehr wirklich an der Kinderbetreuung beteiligen. Entweder sind / fühlen sie sich zu alt dafür oder sie wohnen zu weit weg. Umgekehrt zögern sie aber nicht, jedes mal anzurufen, wenn das iPad streikt oder ihre Steuererklärung zu kompliziert ist. Entweder macht man hier dann einen Deal (deine Zeit für meine) oder man empfiehlt den Apple Support / den Steuerberater.

In allen obigen Punkten empfehle ich übrigens ehrliche, freundliche aber in der Sache harte Kommunikation. Man darf ruhig und selbstbewsusst erklären, weshalb man die Grosseltern nicht unterstützen wird (keine Zeit), die Kinder mithelfen sollen und der Partner seinen Teil beitragen muss. Denk immer daran, dass sie umgekehrt deine Zeit ganz selbstverständlich konsumieren. Gibt es Diskussionen, dreh den Spiess einfach um. Frag sie, warum für sie andere Regeln gelten sollen, als für dich. Und dann schweige, bis eine Antwort kommt.


Arbeit: Sackgasse-Situationen beenden

Wenn man - wie viele - zu oft ja gesagt oder geschwiegen hat, und sich in einer scheinbar auswegslosen Situation des Dauerstresses, der Überforderung und der Unzufriedenheit befindet, dann muss man dringend handeln. Und eins vorneweg: Für keine der folgenden Massnahmen sollst du auch nur einen Moment ein schlechtes Gewissen haben, denn sie sind jetzt nötig, wenn du deine Gesundheit oder deine Beziehung nicht verlieren willst:

  • Massnahme 1: Zwei Wochen fehlen
    Bei akutem Stress, der schon Monate anhält: Krank schreiben lassen für eine volle Woche, besser sogar zwei. Jeder Hausarzt, jede Hausärztin wird dich für eine Woche krank schreiben, wenn du sagst, dass du bereits unter Schlafstörungen leidest und gelegentlich ein Pfeifen im Ohr oder gar Hörstürze hast. Wenn du Angst hast, deswegen deinen Job zu verlieren, sage dem Arbeitgeber, du hättest dir das Pfeifferische Drüsenfieber eingefangen. Das dauert lange, bis es ausgeheilt ist. Dann denke nicht mehr drüber nach, sondern nutze die zwei Wochen, um dein Leben zu ändern.

     
  • Massnahme 2: Stelle einen Plan für ein lebenswertes Leben auf
    Nutze die erste Woche, um ein Leben zu skizzieren, das dir lebenswert erscheint. Schreib auf, was du nicht mehr erleben möchtest. Schreib auf, wie viele Stunden Arbeit pro Woche du arbeiten möchtest. Schreib auf, was du daneben machen möchtest. Eines kann dir jeder sagen: Im Alter wirst du dich nicht so sehr an die Arbeit erinnern und die vielen dummen Firmen-Apéros, sondern an die Zeit mit deinen Kindern, deinem Partner oder schöne Erlebnisse ausserhalb des Büros.

  • Massnahme 3: Breche dein Überstunden-Muster
    In der zweiten Woche suchst du dir einen Coach, der mit dir dein Muster durchbrechen wird, Überstunden zu machen, und der dir helfen wird, mit den Schlüsselpersonen deines Lebens zu reden. Wenn nötig.
    Wenn du denkst, es ohne Coach zu schaffen: Mach dir ganz viele verbindliche Termine zu den Randzeiten deiner Arbeit,z.B. Massagen, Zahnarzt, Coiffeur, Hautarzt-Check, Gyno-Check, Pedicure, Personal Training - immer mit einem Dienstleister, sonst ist es zu wenig verbindlich. So kann ich mich daran hindern, Überstunden zu machen.
    Du kannst der Firma sagen, dass du an deinem persönlichen Stressmanagement arbeitest. Wenn du lieber diskret bleiben willst, erfinde einen anderen Grund z.b. Physiotherapie, eine kranke Schwester / Mutter etc. Bleib hart. Du hast monatelang deine Leistungsbereitschaft bewiesen, ohne dass sich was geändert hätte. Jetzt muss sich was ändern.

  • Massnahme 4: Gespräch mit Vorgesetzten oder neuen Job suchen
    Wenn du nach zwei Wochen des Fehlens zurück kommst, wirst du einen guten Grund haben - deine angeschlagene Gesundheit - mit deinem/r Vorgesetzten über die aktuelle Arbeitslast zu sprechen. Er / sie wird sie dir reduzieren müssen, da sonst damit gerechnet werden musst, dass du einen Rückfall hast oder es viel länger dauert, bis du vollkommen gesund sein wirst. Nutze diese Schonfrist, um deutlich zu machen, dass du nicht mehr so arbeiten kannst, wie vor dem Ausfall. Eventuell findet sich eine Lösung (Aufgabenumverteilung, Neuanstellung, Prozesse verbessern etc.).
    Stösst deine Bitte auf taube Ohren, suche einen neuen Job. Fakt ist, in dieser Abteilung / Firma wird es nicht besser werden.
  • Massnahme 5: Verinnerliche den neuen Modus
    Um nicht wieder in das alte Muster zurückzufallen, rate ich dir, mindestens drei Monate mit einem Coach respektive dem harten Selbst-Management zu arbeiten. Du wirst nicht ewig Termine nach Arbeitsschluss machen müssen, um dich von Überstunden abzuhalten, aber du musst dir auch nach den drei Monaten der Umstellung regelmässig Self-Checks auferlegen, um den gesunden Rhythmus zu pflegen. (Das gleiche gilt auch bei Ernährungs-Umstellungen.)
    Frage dich immer wieder:
    Gibt es Aufgaben, die du an jemanden delegieren könntest? Kleine Zeitfresser?
    Gibt es Dinge, die nicht in deinen Zuständigkeitsbereich fallen oder für die du komplett überqualifiziert bist? Delegiere diese an Praktikanten, Lehrline, ans GL Sekretariat, den Verkaufsinnendienst, Kundendienst etc.
    Schlage selber Verbesserungen vor, etwa, wie Prozesse vereinfacht oder digitalisiert werden können. Oft sind es Zeitfresser-Prozesse, die 1997 eingeführt und seither nie mehr hinterfragt worden sind.
    Sehr häufig hinterfragen wir Aufgaben nicht, die wir kriegen, sondern erledigen sie einfach, dabei wären wir gar nicht zuständig und werden dafür auch nicht honoriert (Bonusrelevanz?). Der Aufwand summiert sich laufend und wir haben immer weniger Zeit für unsere eigentlichen Aufgaben.
    Bitte den Chef / die Chefin, unpassende Tasks in die zuständige Abteilung zurückzugeben. Setze ihm eine Frist dafür und fasse dann nach, sonst wartest du ewig.



Selbst-Management, Anti-Stress Ansätze

  • Investiere ab sofort 30 bis 60 Minuten für die wöchtenliche Planung deiner Zeit.
    Bis in die 2000er Jahre war es normal, einen Wochen- und / oder Tagesplaner zu führen. Man plante Montagmorgens sogar in einer Teamsitzung, wer was bis wann erledigte. So wusste jeder, woran der andere arbeitete. Heute ist es am einfachsten, wenn du in deiner öffentlichen (Outlook) Agenda die Aufgaben reinschreibst. Dabei musst du nämlich auch immer ein Zeitfenster definieren. Im Skype for Business ändert dein Status dann auch zu "Beschäftigt". Wer dich dann intern anruft, tut dies im Wissen, dass du eigentlich grad keine Zeit für Telefonate hast. Kannst du eine Aufgabe in der vorgesehenen Zeit nicht erledigen, erstelle einen neuen Termin-Task und plane ihn wieder ein. Vorteil: So sehen deine Vorgesetzten auch immer, wie viel Zeit für Meetings drauf geht und was in dieser Zeit nicht erledigt werden kann.
  • Beantworte E-Mails nur zweimal am Tag und schalte das Telefon auf den Anrufbeantworter um
    Emails und Anrufe werden heutzutage viel zu wichtig genommen. Ja, es ist gut, wenn man Emails noch am selben Tag beantwortet, aber niemand erwartet eine Antwort innerhalb von einer Stunde.
    Viele Leute, die ich kenne, kommen morgens um sieben ins Büro oder bleiben abends bis 19 Uhr, weil sie in den "einsamen Stunden in Ruhe arbeiten" können. Schlechte Strategie.
    Beantworte die Emails lieber zweimal am Tag: Am Morgen und am Abend. Dann findest du eher die Ruhe, eine Aufgabe konzentriert zu erledigen.
    Arbeitest du so, verringerst du Fehler, Verzögerungen, Ungeduld oder gar Ärger. Du machst die Arbeit insgesamt schneller und besser.
    Meine Strategie, wenn ich wirklich viel zu tun habe, ist, das Telefon auf den Anrufbeantworter umzuschalten. Die wenigsten hinterlassen nämlich eine Nachricht und so "erledigen" sich doch einige Anfragen von selbst, weil sich der / die dann an jemand anderes wendet oder sich selbst hilft. Oder man kriegt stattdessen ein Email, das in aller Regel strukturierter ist, als ein Anruf.
  • Reduziere Meetings
    Ich behaupte, 3/4 der Meetings, an denen wir teilnehmen, sind überflüssig oder zu lang. Es stimmt schon, dass die Zusammenarbeit mit andern verbessert wird, wenn man regelmässig miteinander "meeted", vor allem, wenn man nicht im gleichen Büro sitzt.
    Trotzdem sollte man nur an Meetings teilnehmen, die wirklich nötig sind. Pro Abteilung reicht EINE PERSON: Die hierarchisch höchstnötigste und tiefstmöglichste, um Entscheidungen zu fällen. Wenn dein Chef UND du eingeladen sind, frag deinen Chef einfach, wen von euch zweien es seiner Meinung nach wirklich braucht.
    Wenn du ein Meeting nicht vermeiden kannst, bestehe immer auf eine Agenda und stelle sicher, dass es einen Meetingleiter gibt, der das verdammte Meeting leitet. Sonst wird es ein Kafikränzli.

Stress vermeiden durch Beförderung

Langfristig hilft meiner Meinung nach, sich befördern zu lassen. Je höher du in der Hierarchie angesiedelt bist, desto weniger operativen Scheiss musst du erledigen. Chefs können delegieren, was ihnen beliebt, darum ist ihre Taktik bei Budgetierungsrunden immer, neue Headcounts bewilligt zu kriegen. Übrigens ist diese Einstellung auch der Grund, wieso es mittlerweile alle zwei Jahre Reorgs gibt. Man quetscht die Zitrone aus, damit alle wieder in Arbeit ersaufen und das zu minimalen Kosten.

Als Teilzeitangestellte Mutter kannst du eine Beförderung leider eh vergessen. Zumindest in der Schweiz. Auch Job-Sharing gibt es hierzulande faktisch nicht. Darum gibt es eigentlich nur noch eins,was Mütter tun können: sich selbständig machen. Dazu braucht frau aber den Willen, das Kapital und Durchhaltevermögen. Am besten würden sich Frauen eigentlich mitte zwanzig selbständig machen (nur fehlt da das Kapital), denn sobald sie einmal Kinder haben, sind ihre Energiereserven arg strapaziert. Und mit 45/50 ist die Hürde, sich selbständig zu machen, grösser, denn man denkt schon an die Rentensicherheit.

Ich wünsche dir viel Erfolg und ein ausgeglichenes Leben. Du hast nur eins.