Mittwoch, 21. Juni 2017

Teilzeitstrategien - für berufstätige, angestellte Mütter

Vor einer Weile habe ich einen Post zum Thema Teilzeitarbeit finden veröffentlicht. Heute geht es darum, wie man die ganz spezifischen Herausforderungen von Teilzeit-Jobs (als Angestellte) am besten angeht. Ich spreche aus Erfahrung.

Seit einigen Jahren arbeite ich 60-70% Teilzeit und ziehe daneben ein Kind (Jahrgang 2014) gross. Ich begegnete in dieser Zeit Müttern, die seit dem ersten Kind nicht mehr berufstätig waren, Müttern, die Teilzeit arbeiteten (und zwar in Varianten von 20 bis 80%) und ich lernte sogar eine Mutter kennen, die trotz zwei Kindern immer Vollzeit gearbeitet hat. Letztere blieb aber ein Einzelfall und war von allen die beruflich erfolgreichste. Eigentlich logisch.



Nun unter den Müttern, die trotz (Klein-)Kind noch berufstätig sind, habe ich bald deutliche Unterschiede erkannt, aber eins hatten alle gemein: Sie wirkten oft ausgelaugt, gestresst und unzufrieden. Die einzigen entspannten Mütter, die ich kenne, sind die Hausfrauen. (Und eine, die 80% als Lehrerin arbeitet und ihr Kind jede Woche von Sonntag bis Montag ihrer Mutter abgibt).

Es gibt Mütter, die arbeiten müssen, weil sie sonst nicht über die Runden kämen (allen voran die Unverheirateten, die erst ab 2017 Unterhaltszahlungen gelten machen können) oder diejenigen, die arbeiten wollten oder diejenigen, die müssen und wollen. :) Die Höhe des Pensums hat einen riesengrossen Einfluss auf die Belastung der Mutter. Auch, ob sie eins oder mehrere Kinder hat, ob sie alleinerziehend ist oder der (Ex-)Partner mithilft, ob genug Geld da ist, etwa für Babysitter, Putzfrau, Spielgruppe oder andere externe Betreuungsmöglichkeiten.

Aber egal, wie die private Situation einer Arbeitnehmerin aussieht, folgende Gleichung spielt immer im Berufsleben:

Je tiefer das Pensum, desto kleiner die übertragene Verantwortung, desto kleiner die Erwartungen an die Arbeitnehmerin, desto tiefer das Gehalt. Je höher das Pensum, desto verantwortungsvoller der Posten, desto grösser die Erwartungen, desto höher das Gehalt.


Mütter im 20-40% Pensum

Ich habe festgetellt, dass Mütter im 20-40% Pensum in operativer Arbeit, für die sie praktisch immer überqualifiziert sind, versaufen. Man lädt sie grundsätzlich selten zu Meetings ein, weil man sie nicht vom "arbeiten" abhalten will. Weiterbildungen bezahlt man ihnen schon gar nicht und an Teamevents tauchen sie in der Regel auch nicht auf. Sie sind zu bedauern, wie ich finde. Sehr sogar. Die Arbeit bleibt während der Tage, die sie nicht arbeiten, für sie liegen. Meistens haben sie keine Stellvertretung, weil ihre Tasks a) niemand will und b) ja warten können. Typischerweise kümmern sie sich z.B. um die Werbeartikel (in der Marketingabteilung) oder das verbuchen von Kreditorenrechnungen (in der Buchhaltung).

Strategie:  Die gute Nachricht: Es werden keine Glanzleistungen erwartet. Man ist die Bürokraft, die den Scheiss erledigt. Für diese Mutter sind viele dankbar, denn sonst kümmert sich niemand (so zuverlässig und gut) um den Scheiss. Höchstes Gebot: Nicht hetzen! Nicht hetzen! Nicht hetzen!
Wenn Du mehr leistest, als normal oder üblich wäre - nimm als Massstab die Kollegen, die Vollzeit arbeiten - löst Du einen Teufelskreis aus. Man wird immer mehr auf Deinen Tisch knallen. Mach Pausen, wie die Kollegen, ja keine Überstunden und for f§¬°s sake nimm Dich nicht ernster als die andern es tun. Noch ein Tipp: Überleg dir, was Du Dir von diesem Job genau versprichst und wie lange Du ihn noch machen möchtest. Prüfe auch, ob Du als Freelancer nicht mehr Geld mit weniger Mühe und mehr Flexibilität verdienen könntest.

Mütter im 60-70% Pensum

Diese Arbeitnehmerinnen haben es auch nicht leicht. Sie haben mit Glück einen Job ergattert, der ihrer Qualifikation von vor fünf oder acht Jahren entspricht und vielleicht, vielleicht, noch anständig bezahlt wird. Der Arbeitgeber profitiert noch so gern von ihrem überdurchschnittlichen Erfahrungsschatz, zahlt ihr dafür aber verhältnismässig wenig, fördert sie in der Regel aber (aus Prinzip) nicht, da Teilzeitkraft. Sie könnte ja wieder schwanger werden und aufhören - die Investition wäre für die Katz.

Von diesen Müttern wird erwartet, dass sie wichtige Meetings (oft wiederkehrende an einem bestimmten Tag des Monats / Quartals) auch ausserhalb ihrer üblichen Arbeitszeit wahrnehmen. Theoretisch könnten sie die Zeit dann kompensieren, tun es aber faktisch nicht, weil sie a) ebenfalls in Arbeit versaufen und b) ein schlechtes Gewissen haben. Auch ihre Arbeit bleibt während der regelmässigen Abwesenheit liegen (als ob das ok wäre), kann aber häufig nicht wirklich warten. Dies führt dazu, dass diese Mutter a) auch an ihren freien Tagen E-Mails checkt und beantwortet und b) trotzdem immer wieder an den überstellten Erwartungen ihrer Chefs aufläuft.

Strategie:

1.) Besorge Dir Unterstützung. Schön wäre auch eine Stellvertretung.
Die meisten Teilzeitstellen hätten gar nie als Teilzeit ausgeschrieben werden dürfen. Man wollte
einfach Kosten sparen. Dein Arbeitgeber kalkulierte von Anfang an, dass Du 100% Leistung für den Teilzeitlohn erbringst. Deine oberste Priorität muss daher sein, Unterstützung zu erhalten. Gerade Tasks, die Deiner Qualifikation nicht entsprechen, solltest Du dringendst delegieren. Arbeite so oft es geht mit externen Dienstleistern (Grafikern, Textern, Konzeptern, Übersetzern...), spanne Unterbeschäftigte ein (z.B. ledige Sekretärinnen) oder Praktikanten, Lehrlingen oder ältere Mitarbeiter, die eine ruhige Kugel schieben. Nur so kannst Du Dich dann auf die Arbeiten konzentrieren, an denen man Dich wirklich messen wird (siehe 3.).

2.) Akzeptiere keinen Kadervertrag, bei dem Du Überstunden nicht kompensieren kannst
Warum denn das, Kader ist doch geil, fragst Du? Für Vollzeitarbeiter JA!
Teilzeitverarschten, wie ich die hochprozentig arbeitenden Mütter auch nenne, verkauft man ihre Position gerne als "Kaderstelle", obschon so gut wie nie eine Führungsfunktion besteht. Warum? Aus Prinzip. Was ist also eine Kaderstelle ohne Führungsfunktion? Eine Stabsstelle, eine Fachverantwortung - okay... vor allem aber eine Mogelpackung. Du kriegst ein paar Benefits mehr - ein Handy, eine zusätzliche Woche Ferien, Parkplatz - aber im Gegenzug kannst Du Überstunden nicht mehr kompensieren. Ich würde in so einem Fall von Anfang an auf einen normalen Arbeitsvertrag bestehen. Die Rechnung geht nämlich nicht auf.

3.) Konzentriere Dich auf Deine Jahresziele, und wie Du Deine Leistungen ins beste Licht rückst.
In den meisten Firmen werden Jahresziele eher detailliert formuliert. Wenn man Dir im Lauf des Jahres dann Projekte übertragen will (und das passiert immer), die in den Jahreszielen nicht widerspiegelt werden, versuche entweder, sie sofort zu delegieren, oder lass Deine Jahresziele ergänzen / ändern. Wenn absehbar ist, dass Du das Projekt nicht zusätzlich stemmen kannst (= ohne Überstunden), sorge dafür, dass Du ein anderes Projekt abgeben kannst.

Das klingt nun alles klar und leicht, ist es in der Tat natürlich nie. Eine Frau und insbesondere eine Teilzeitarbeitende Mutter braucht Feingefühl, Diplomatie aber vor allem Durchsetzungskraft.

Mütter im 80% Pensum

Du verbringst nur einen Tag der Arbeitswoche mit Deinem Kind. Dein Job muss Dir viel bedeuten, oder zumindest das Geld oder die Perspektive, die sich ergeben. Von allen teilzeitarbeitenden Müttern hast Du es im Büro am leichtesten. Den einen Tag, den man fehlt, kann man als durchschnittlich begabte Fachkraft in der Regel leicht kompensieren. In all den Jahren, in denen ich Vollzeit beschäftigt war, war ich praktisch nie voll ausgelastet. Heute, nach Reorgs die überall stattgefunden haben, sieht das sicher ein wenig anders aus. Je weiter weg von Zürich man aber arbeitet, desto entspannter soll es sein (hab ich gehört).

Strategie: Setze viel daran, dass man Dich gleich behandelt, wie einen Vollzeitangestellten. Du leistest wahrscheinlich gleich viel, also wäre das nur fair. Ausserdem solltest Du Zeit darauf verwenden, Deine Leistung zu präsentieren. Bei mir war das das erste, das ich vernachlässigt habe, um mehr erledigt zu bekommen, und das war ein Fehler. Priorisiere deine Arbeiten nach dringend/wichtig und nicht dringend/unwichtig. Dich regelmässig profilieren gehört zu den dringenden und wichtigen Aufgaben.

Allgemeine Tipps


Babypause: Als Mutter würde ich nie nach dem in Schweiz gültigen Mutterschaftsurlaub von 14 Wochen (mit 80% Lohnfortzahlung) wieder arbeiten. Ein halbes Jahr ist das Mindeste, was man seinem Neugeborenen an uneingeschränkter Mutterliebe schenken sollte. Natürlich ist das aber häufig eine Frage des Geldes.

Pensumshöhe in der magischen Phase: Sei Dir bewusst, dass dein Kind nur wenige Jahre klein, magisch und abhängig ist. Diese Zeit kommt nicht zurück, verpasse sie also nicht. Das richte ich auch an die Väter, die einen Papitag pro Woche schon als grosses Opfer ansehen.

Pensumsform:
Es ist logisch, braucht aber wieder Durchsetzungskraft: Verteile Deine Präsenzzeit auf so wenig Tage wie möglich. Arbeitest Du 50%, lass Dich nicht dazu bringen, an fünf Tagen den Vormittag zu arbeiten. Allein der Arbeitsweg, aber auch der Aufwand, das Kind zu holen und zu bringen, lohnt sich nicht. Ich habe viele solche Jobinserate gesehen, und mich nie beworben. Sie zeugen von wenig Familienfreundlichkeit.

Sorgerecht vs Betreuungspflicht:
Seit 2014 gilt das gemeinsame Sorgerecht, dies ist aber nicht zu verwechseln mit geteilter Betreuungspflicht. Das Sorgerecht sagt nur, dass die Eltern gemeinsam Entscheidungen über das Wohlergehen und die Entwicklung des Kindes treffen, nicht eine Partei allein. Etwa, wo das Kind zur Schule geht. Im Hinblick auf eine gute Lösung der Arbeitstätigkeit (beider Eltern), muss man klar festhalten, dass auch beide für die Sicherstellung, Organisation und Finanzierung der Betreuung des Kindes verantwortlich sind. Auch wenn sie getrennt haben.

Fremdbetreuung:
Oft wird gejammert, wie teuer Kita-Plätze in der Schweiz seien, dabei ist die Kita immer noch günstiger, als wenn Papi oder Mami nicht arbeiten würden. Die Kosten der Kita orientieren sich (Kt. ZH) am Einkommen der Eltern. Wer wenig verdient, zahlt auch weniger.
Ich persönlich finde daneben, dass die Kita nur eine Form der vielen Betreuungslösungen darstellt. Eine Tagesmutter kostet zum Beispiel weniger (ca. 8.- pro Betreuungsstunde = 80-100.- pro Tag plus Windeln und Verpflegung), ist flexibler und über die Jahre auch stabiler als wechselndes Personal in einer Kita. Ausserdem wird Dein Kind dort seltener krank, da es weniger kranken Kindern ausgesetzt wird = Du fehlst weniger am Arbeitsplatz.
Toll ist, wenn man Grosseltern einbeziehen kann. Klar ist, dass es die Beziehung zu den eigenen Eltern stärkt, wenn sie auf Enkel aufpassen dürfen. Ob sie wollen und wie oft, muss man genau erfragen (und das immer wieder). Es sollten die Grosseltern beider Eltern in die Pflicht genommen werden, da dies sonst die Paarbeziehung belastet.
Auch nützlich sind andere Mütter. Diese sind oft froh, wenn sie ihr Kind - auch nur für Stunden - abgeben können. Du lernst sie in der Nachbarschaft, im Muki-Treff oder in der Badi kennen. :) Wenn Du schüchtern bist, denk daran, sie brauchen Dich genauso, wie Du sie!

Geld 1: Wenn es Dein erstes Kind ist, profitierst Du am meisten, wenn Du vor der Schwangerschaft / Geburt Vollzeit gearbeitet hast. Da sind u.U. freiwillige Zusatzleistungen Deines Arbeitgebers (bei mir waren das 18 Wochen Urlaub statt 14 und 100 statt 80% Lohnfortzahlung). Wenn sie Dir nach der Geburt nicht entgegenkommen können oder wollen (unbezahlte Abwesenheit, Pensumsreduktion) und Dir kündigen, kannst Du (ohne schlechtes Gewissen!!!) Arbeitslosengeld beantragen. Es fallen keine Einstelltage an. In dem Falle, bleib ein Jahr zuhause und nimm Dir Zeit, etwas zu finden, das zu Dir passt. Niemand erwartet von einer Mutter, dass früher wieder arbeiten geht. In der Schweiz wird vom Gesetzgeber sogar davon ausgegangen, dass Mütter erst ab dem 10. Altersjahr des jüngsten Kindes wieder Teilzeit arbeiten können.

Geld 2: Ledige getrennte Mütter: Mit dem neuen Betreuungsunterhalt, den ab 2017 auch unverheiratete Mütter erhalten, kann eine längere Babypause ebenfalls mitfinanziert werden. Wie die genauen Zahlungen aussehen, ist noch unklar, und hängt davon ab, wie viel % eine Mutter arbeitet. Je mehr sie betreut, desto mehr Geld erhält sie vom Vater des Kindes. Dabei ist unerheblich, ob die beiden einmal im Konkubinat lebten oder wie lange.

Geld 3: Auch Du darfst Gehaltserhöhungen verlangen. Mindestens so hoch, wie die Teuerung in diesem Jahr war. Mach es Dir zur Gewohnheit, beim Jahresendgespräch (oder einfach im November) das Thema auf die Agenda zu bringen. Wenn man Dir keine Gehaltserhöhung anbietet, frag nach der Begründung und wie Du Dich im nächsten Jahr dafür qualifizieren kannst. Teilzeitverarschte werden auch bei Lohnerhöhungen übergangen, und das obwohl sie sich häufig am meisten abrackern.


Absenzen 1: Teilzeitmütter stehen im Ruf, häufig aufgrund von Krankheiten ihrer Sprösslinge (oder sich selbst) am Arbeitsplatz zu fehlen. Das rührt meiner Meinung nach vor allem daher, dass viele Mütter nicht zulassen, dass der Vater auch Verantwortung für ein krankes Kind übernimmt. Väter können das aber. Darum schau, dass der Vater die Hälfte der krankheitsbedingten Absenzen übernimmt. Du übernimmst schliesslich immer, wenn das Kind dann krank ist, wenn Du nicht arbeitest, das ist auch ein Opfer. Sei Dir dessen bewusst.

Absenzen 2: Obwohl die Mutter / der Vater von Gesetzes wegen pro Krankheitsfall drei Tage vom Arbeitsplatz fern bleiben kann, um ein krankes Kind zu betreuen, kommt es beim Arbeitgeber natürlich schlecht an. Darum sollte man, wenn es geht, zumindest erreichbar sein (telefonisch) und seine E-Mails checken und beantworten. Selbstverständlich hat man dafür zu sorgen, dass man wichtige Tasks & Sitzungen verschiebt oder eine Stv. organisiert.

Absenzen 3: Vollzeitangestellte nehmen ihre Arzttermine während der Arbeitszeit wahr. Die meisten Arbeitgeber sind da kulant und rechnen das als Arbeitszeit, die nicht nachgeholt werden muss. Bei Teilzeitverarschten sieht es ein wenig anders aus. Von uns wird erwartet, dass wir Arzttermine in den andern Tagen wahrnehmen. Das ist nicht fair (wie so vieles anderes). Mein Rat wäre, dass man die Zeit, die andere "geschenkt" erhalten, auf das eigene Pensum umrechnet. Das ist dann die Zeit, die man fairerweise selber zu gute hätte. Nimm sie in Form von Pausen oder geh einmal früher. Betone dann aber, dass Du Arzttermine in Deine Freizeit legst (profilieren).



Firmenapéros, Firmenessen, Firmenausflüge:
Meine Meinung ist da (als Mutter) klar: So selten wie möglich, so oft wie unbedingt nötig. Apéros sind was für Leute ohne Familie, die massenweise Freizeit haben. Firmenessen sind eine Tortur. Mittelmässiges Essen, mittelmässiger Wein, öde Gespräche, schlimmstenfalls noch eine Ansprache der GL und ein langer, nüchterner Heimweg, auf dem man sich fragt, was man heute sonst alles hätte erleben können. Firmenausflüge sind dann der Gipfel der lieblosen Belegschaftsabfertigung zwecks Teambildung mit minimalem Budget. Nein danke. Sage aber nie, dass Du nicht teilnehmen möchtest. Erfinde IMMER eine Ausrede, wieso Du nicht kannst. (Zu kurzfristig, Kind krank, Mutter krank, Du krank...)

Letzter Tipp an Teilzeitarbeitende Mütter: Nimm Dir frei und schau zu Dir selber. Mit frei nehmen meine ich, ohne Dein Kind. Du brauchst das. Heute mehr denn je. :-) Viel Erholung!


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